Es ist der 15. September 2025. Auf dem amerikanischen TV-Sender ABC läuft wie an jedem Wochentag „Jimmy Kimmel Live!“. In dieser Nacht kommentiert Kimmel die Ermordung von Charlie Kirk – einem bekannten Trump-Fan und rechtskonservativen Aktivisten, der kurz zuvor bei einer College-Debatte erschossen wurde. Über den Tod selbst macht sich Kimmel natürlich nicht lustig. Aber sehr wohl über die Reaktion von Donald Trump: Denn als ein Reporter den Präsidenten bei einer Pressekonferenz fragt, wie es ihm nach dem Tod seines Freundes gehe, antwortet Trump: „Sehr gut“ – und beginnt dann über die Bauarbeiten am neuen Ballsaal für das Weiße Haus zu reden.
Kimmel kommentiert Trumps Aussage damit, dass so doch kein Erwachsener um den Tod eines guten Freundes trauert: „So klingt ein Vierjähriger, der traurig ist, weil gerade sein Goldfisch gestorben ist.“ Ein Witz, der ausschließlich auf Kosten Trumps geht. Doch was folgt, ist ein Empörungs-Orkan aus der Make-America-Great-Again-Bewegung. Kimmel sei nun endgültig zu weit gegangen. Er hätte sich über die Ermordung von Kirk lustig gemacht. Zwei Tage später suspendiert ABC den Moderator.
Comedians und Satiriker als Zielscheibe
Diese Nachricht schlägt wuchtig in das fragile Nervenzentrum des liberalen Amerikas ein. So weit ist es also in den zunehmend autokratischen USA gekommen: Ein Comedian wird von der Regierung bestraft, weil er sich über die Regierenden lustig macht.
Dass es der Präsident in seiner zweiten Amtszeit auf Satiriker abgesehen hat, ist für Sophia McClennen wenig überraschend. Sie ist Comedy-Fan, Politikwissenschaftlerin und Literaturprofessorin an der Penn State University. Dort erforscht sie, wie Humor gesellschaftliche Spannungen sichtbar macht und sagt: „Satiriker sind die am meisten verfolgten Künstler überhaupt – sie sind kritisch, pointiert und machen sich über einen lustig. So eine Kombi gibt’s in keiner anderen Kunstform.“ Neu sei jetzt vor allem, dass erkennbar sei, wie eng einige große Medienkonzerne mit der Trump-Administration verbandelt sind.
(K)Ein Recht auf freie Rede?
Es ist die mittlerweile bewährte Trump-Methode: Der Präsident instrumentalisiert staatliche Institutionen für persönliche und politische Zwecke. Dieses Mal trifft es einen der heiligsten Grundsätze der US-Verfassung – den First Amendment, das Recht auf freie Rede.
Nach der Suspendierung von Jimmy Kimmel reagiert das Publikum mit Protesten: Disneys Streaming-Dienste werden boykottiert, und über 400 Künstlerinnen und Künstler – darunter Tom Hanks und Meryl Streep – fordern Kimmels sofortige Rückkehr. Das wirkt. Eine Woche später ist Kimmel zurück. Und wie: 6,3 Millionen Zuschauer verfolgen die Show live – die höchste Quote seit einem Jahrzehnt. Dazu kommen weitere 26 Millionen Zuschauer über YouTube und Social Media.
Die Kimmel-Causa ist bereits der zweite Vorfall dieser Art in nur einem Jahr. Im Juli 2025 kündigte CBS an, die „Late Show“ mit Stephen Colbert abzusetzen. Offiziell aus wirtschaftlichen Gründen, inoffiziell unter politischem Druck: Denn kurz zuvor hatte CBS die Genehmigung für eine milliardenschwere Fusion mit der Filmproduktionsgesellschaft Skydance erhalten – ein Deal, der ohne das Wohlwollen der Trump-Administration nicht möglich gewesen wäre. Wie auch bei Kimmel feierte Trump auf seiner Plattform Truth Social die Absetzung von Colbert.
Satire als Leitplanke einer Demokratie
Die Fälle von Colbert und Kimmel zeigen, wie gezielt Trump die ihm unterstellte Exekutive nutzt, um unbequeme Stimmen zum Schweigen zu bringen. Und sie zeigen, wie brüchig der Rückhalt für Satire geworden ist. Der Narr darf den König kritisieren – das ist ein uraltes Prinzip. Genau das muss Satire auch heute noch dürfen: frei, furchtlos und ohne Druck aus dem Weißen Haus, wo gerade jetzt tatsächlich ein selbsternannter König sitzt.
In einer Demokratie, die ins Wanken geraten ist, ist Satire wichtiger denn je. „Satirischer Humor macht sich über Denkweisen und Politik lustig – kurz: über ein ganzes System“, sagt Politikwissenschaftlerin Sophia McClennen. „Satire sagt: Das hier ergibt überhaupt keinen Sinn. Dieser Mann behauptet, die Demokratie zu verteidigen – zerstört sie aber in Wahrheit. Er stellt die Dinge völlig falsch dar. Darum ist Satire wie ein Workout fürs Gehirn. Man braucht sie, gerade in Zeiten von Autokratie und demokratischem Rückschritt, in denen Lügen an der Tagesordnung sind. Da wird Satire zu einem der wichtigsten Werkzeuge für die Gesellschaft.“
Falschverstandene Kunstform
Und trotzdem: Populismus, Hass, Lügen und Social-Media-Blasen machen das Erzählen satirischer Witze längst zum Balanceakt. Was für die einen eine entlarvende Pointe ist, wirkt für andere wie ein fundamentaler Angriff auf ihre Lebensrealität. Die extreme Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft – angeheizt durch einen Populisten, der seine Gegner beschimpft, abkanzelt und sogar mit Arbeitsplatzverlust bedroht – lässt sich im Vergrößerungsglas der Satire besonders deutlich erkennen.
Die amerikanische Rechte hat sich schon lange in dem Narrativ verstrickt, dass die populären Satiriker der Gegenwart so gut wie alle mindestens latent links sind – wenn nicht sogar woke Kommunisten, die ihr eigenes Land hassen. Dahinter steckt ein grundsätzlich falsches Verständnis davon, was Satire ist. Denn die hat eine klare Aufgabe: Nämlich durch Übertreibung, Ironie und Parodie die Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen – und so soziale und kulturelle Missstände zu benennen.
Humor als ziviler Ungehorsam
Politik ist in den USA mittlerweile oft zu einer postfaktischen Realsatire geworden, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Die Trennlinien zwischen echtem Wahnsinn und erfundenem Unsinn verschwimmen zunehmend. In einer Zeit, in der Trump offen verkündet, seine Gegner zu „hassen“, ICE-Razzien ethnische Gruppen ins Visier nehmen und die Gewaltenteilung zugunsten einer Allmacht des Präsidenten aushebelt, ist gerade der Humor eine der wichtigsten Formen zivilen Ungehorsams. Denn Satire ist Plattform für Widerstand, Aufklärung und das Verhandeln gesellschaftlicher Wahrheiten.

