Die Pyramiden von Gizeh mitten in der Wüste Ägyptens galten schon in der Antike als Weltwunder. Sie faszinieren Besucher und Wissenschaftler bis heute – und sie sind bis heute für Überraschungen gut, wie aktuelle Arbeiten zeigen: Forscher der Universität Kairo und der Technischen Universität München (TUM) entdeckten nun erstmals zwei Auffälligkeiten in der drittgrößten Pyramide von Gizeh und konnten sie als verborgene Hohlräume identifizieren.
Forscher: Noch wenig über das Innere der Pyramiden bekannt
Die vor mehr als 4.500 Jahren errichteten Bauwerke gehören zu den am besten untersuchten Objekten der Welt, sagt Christian Große vom Lehrstuhl für zerstörungsfreie Prüfung an der TUM: „Aber wenn man sich damit befasst, stellt man fest, dass man nicht wirklich genau weiß, was sich hinter der Fassade verbirgt.“
Er muss es wissen. Der Wissenschaftler scannt seit mehreren Jahren zusammen mit Kollegen von der Universität Kairo die Pyramiden von Gizeh auf Hohlräume ab. Zuletzt waren sie 2023 dabei auf eine unbekannte Kammer in der Cheops-Pyramide gestoßen.
Untersuchung der Mykerinos-Pyramide: Vermutungen bestätigt
Nun untersuchten die Forscher um Große die Fassade der kleinsten der drei großen Pyramiden von Gizeh, der Mykerinos-Pyramide. Sie hat eine Besonderheit: Sie besitzt zwei auffällig glatte Flächen zwischen den sonst überwiegend rauen und unebenen Steinblöcken.
Eine Stelle befindet sich um den Eingang herum auf der Nordseite der Pyramide, die andere auf der Ostseite. Daher gebe es schon seit einigen Jahren die Theorie, dass sich auch auf der Ostseite ein bisher unbekannter Eingang befinden könnte, erklärt Arnulf Schlüter, Direktor des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst in München.
Zerstörungsfreie Techniken zur Erforschung im Einsatz
Um zu klären, ob das wirklich so ist, setzten Große und seine Kollegen wie bei ihren vorherigen Arbeiten auf ihre zerstörungsfreien Techniken, um keine Spuren an der Pyramide zu hinterlassen: „Andere Untersuchungsmöglichkeiten bekommt man praktisch nie zugelassen. Es ist ja ein Weltkulturerbe.“
Ultraschall, Georadar und elektrische Widerstandstomographie waren daher die Verfahren, die die Forscher dafür einsetzten. Denn: Je mehr Verfahren eingesetzt werden, desto aussagekräftiger und verlässlicher seien die Daten, sagt Christian Große. Das Ergebnis der Untersuchung war überraschend: Es zeigten sich zwei Unregelmäßigkeiten, die auf Hohlräume direkt hinter der Ostfassade schließen lassen.
Hohlräume der Mykerinos-Pyramide wohl ungewöhnlich groß
Zwar können die Wissenschaftler mit ihren Verfahren nicht bestimmen, wie groß die Hohlräume genau sind. Aber immerhin gebe die elektrische Widerstandstomographie Hinweise darauf, wie tief sie reichen, sagt Christian Große: „Da sehen wir tatsächlich das Ende des Hohlraums nicht.“
Das heißt: Es muss sich bei einem der beiden um einen größeren Hohlraum handeln, möglicherweise einen Gang. Auffällig für den Wissenschaftler ist jedenfalls, dass sich in der Fassade direkt davor ein ungewöhnlicher trapezförmiger Stein befindet. Die Steine daneben sind dagegen mehr oder weniger rechtwinkelig.
Die Wissenschaftler können bisher anhand ihrer Daten abschätzen, dass die beiden möglichen Hohlräume etwa einen Meter hoch sind, der eine rund 1,50 Meter breit, der andere 70 Zentimeter. Beide liegen etwas mehr als einen Meter hinter der Fassade. Sensationen erwartet sich Ägyptologe Arnulf Schlüter von den Hohlräumen jedoch nicht: „Die Hoffnung auf einen zweiten Eingang und auf ein verborgenes Gangsystem mit versteckten Kammern ist noch sehr begrenzt bei mir.“
„Noch nicht alle Fragen zum Bau der Pyramiden geklärt“
Der Hohlraum erfüllt eher statische Zwecke, vermutet Arnulf Schlüter. Keine Pyramide sei der monolithische Block, als der sie nach außen erscheine. Daher seien Hohlräume nichts Ungewöhnliches. Trotzdem findet der Ägyptologe derartige Hinweise auf Hohlräume wichtig: „Wir müssen zugeben, dass auch noch nicht alle Fragen zum Bau der Pyramiden geklärt sind.“ Insofern helfen weitere Entdeckungen im Inneren, um die Gebäude besser zu verstehen.
Was sich wirklich hinter der Fassade verbirgt, würden die Forschenden gern mit einem Endoskop klären. Ob sie das dürfen, wird sich zeigen: Denn dafür müsste immerhin ein kleines Loch in das Weltkulturerbe gebohrt werden.

