Das Intro von „Es: Welcome to Derry“ kommt ganz unschuldig daher. „A smile is something special“, singt ein kleines Mädchen. Dazu sehen wir idyllische Bilder einer idyllischen Kindheit in einer idyllischen US-Kleinstadt. Aber natürlich trügt der Schein. Das Kinderlied wird immer unheimlicher und fragt, ob die kleinbürgerliche Idylle mit den nett lächelnden Kindern in Wahrheit nicht doch ein Albtraum ist. Ein Muster, das sich durch „Es: Welcome to Derry“ zieht. Der Stephen-King-Ableger zeigt eine Gesellschaft voller Doppelmoral – die ihre dunklen Kapitel am liebsten unter den Tisch kehrt.
HBO-Serien und ihre Intros
Gute HBO-Serien geben ja bekanntlich bereits in ihren Intros Hinweise auf Subtext und Botschaft. Nehmen wir die berühmte Melodie der Urlaubs-Satire „The White Lotus“, die Anfangs-Sequenz aus Game of Thrones, die Hinweise auf den Verlauf der Handlung gab oder das Intro von „Succession“, die perfekte Komposition für ein größenwahnsinniges Medien-Imperium. „Es: Welcome to Derry“ setzt diese Tradition fort.
Worum es in der Horrorserie geht
Die HBO-Serie nimmt uns mit in die fiktive US-amerikanische Kleinstadt Derry. Hier entführt ein Monster Kinder und verspeist sie in der Kanalisation. Fans lieben „Es“ vor allem wegen „Pennywise“ dem Horror-Clown. Seit 2017 gespielt von Bill Skarsgard, der hier mitproduziert. Der Horror hier beginnt in den 60er Jahren – und wir erfahren, warum sich Pennywise ausgerechnet in Derry eingenistet hat. Wie bei Stephen King typisch versucht eine Gruppe von Außenseitern, dem Treiben des Monsters auf die Schliche zu kommen. Neu ist, dass auch die US-Armee Derry und „Es“ entdeckt hat. Aber nicht etwa, um das Monster zu stoppen, sondern um daraus eine Waffe zu machen.
„Es: Welcome to Derry“ ist nichts für schwache Nerven
Die acht, knapp einstündigen Folgen sind mit das Gruseligste, was in diesem Jahr auf Fernseh- oder Kinobildschirmen zu sehen ist. Was in erster Linie daran liegt, dass die Serie die Klaustrophobie einer scheinbar perfekten Kleinstadt meisterlich einfängt. Vorne rum lächeln sie sich in Derry nett an. „A smile is something special“.
In kleinen, unachtsamen Momenten kommen dagegen die Schattenseiten zum Vorschein: Sexismus, Rassismus und unterdrückte Traumata. Die schiefen Blicke der Bewohner, besonders, als eine neue Familie of colour in Derry einzieht, sind dabei schauriger als die computer-animierten Monster, die einem hier oft ins Gesicht springen.
Wie „Es“ sich an den Schattenseiten der Gesellschaft labt
Das Monster nutzt die Schattenseiten der Gesellschaft aus. „Es“ ist ein Gestaltenwandler, der immer die Form annimmt, vor der sich sein Opfer am meisten fürchtet. So erfährt ein jüdischer Junge von seinen Eltern, dass die Nazis die Haut von toten KZ-Häftlingen für Lampen-Schirme benutzt haben. „Es“ versteckt sich daraufhin in der Nachtischlampe.
„Es: Welcome to Derry“ kritisiert die Doppelmoral der Gesellschaft
Buchautor Stephen King, großer Gegner Donald Trumps, hat die Schattenseiten der bürgerlichen Gesellschaft schon häufig kritisiert. Die Serie „Es: Welcome to Derry“ setzt dieser Kritik ein Denkmal. Sie zeigt, wie viel Doppelmoral in einer strebsamen Gesellschaft stecken kann. Und klagt an, wie Menschen Rassismus, Frauenhass, Traumata und sogar Genozid weglächeln und damit verschleiern. Weil die Erwachsenen „Es“ fortlaufend ignorieren. Ein Monster, das die unterdrückten Ängste repräsentiert und für alles steht, was in der Gesellschaft falsch läuft.

