Sie waren bis ins hohe Alter regelmäßige und gern gesehene Promi-Gäste bei Münchner Premieren, ob in der Komödie im Bayerischen Hof, im Gärtnerplatztheater oder im Deutschen Theater: Alice und Ellen Kessler genossen das reichhaltige Kulturangebot ihrer Wahlheimatstadt. Dabei wirkten sie stets absolut uneitel, bescheiden, vielseitig interessiert, gut vernetzt und in jeder Hinsicht sympathisch.
Natürlich wurden sie häufiger gefragt, wie sie es schafften, bis ins vorgerückte Alter so fit und aktiv zu sein. Ihre gemeinsame, sehr offenherzige Antwort im SWR-Fernsehen: „Wir sind geliftet, wir haben uns einmal liften lassen. Wir trainieren, wir sind immer in Bewegung, wir sind beide nervöse Menschen, deshalb verbrennen wir Fett vielleicht auch so gut. Wir haben nie eine Diät aus Gewichtsgründen eingehalten, wir haben Glück. Wir essen auch alles, nicht nur Salatblätter.“
Kessler-Zwillinge: Unabhängigkeit als Folge von schwieriger Kindheit
Über ihren gewalttätigen Vater sprachen die Kessler-Zwillinge bemerkenswert offen, auch mit der „Bunten“. Ihre schwierigen Kindheitserfahrungen seien ein Grund dafür gewesen, dass sie sich nie von Männern abhängig machen wollten, so die Entertainerinnen [externer Link] im August 2024: „Es gibt etwas, das uns viel wichtiger war als die Schönheit: Unabhängigkeit!“
In Italien waren sie sogar noch populärer als hierzulande, was keineswegs daran lag, dass sie sich im Alter von 40 Jahren für die italienische Ausgabe des „Playboy“ ablichten ließen. Vielmehr lebten und arbeiteten sie von 1962 bis 1986 als „Le gemelle Kessler“ in Italien und waren im dortigen Fernsehen mindestens so präsent wie in Deutschland.
„Paris war die schönste Zeit“
Als berufliches „Sprungbrett“ sahen die 1936 im sächsischen Nerchau geborenen Kesslers allerdings Paris, wo sie nach ersten Bühnenerfahrungen in Leipzig und Düsseldorf von März 1954 bis 1960 im berühmten Revuetheater Lido auftraten, zuletzt als Stars des Programms: „Pigalle, Montmartre, Montparnasse, das haben wir alles nachts kennengelernt, und wenn die Sonne aufging, sind wir ins Bett gegangen. Das war für uns die schönste Zeit.“
Parallel zu ihren Auftritten an der Seine wurden die Kesslers in deutschen Unterhaltungsfilmen wie „Solang‘ es hübsche Mädchen gibt“ oder „Vier Mädels aus der Wachau“ besetzt. In Personality-Shows der sechziger Jahre waren sie begehrte Gäste, etwa in den USA bei Perry Como. Hollywood-Stars zeigten sich gern an der Seite der attraktiven blonden Revue-Tänzerinnen, wobei sich Ellen („Ich presche nach vorn“) mehr als „Motor“ des Duos verstand und Alice keineswegs beleidigt war, als „Bremserin“ bezeichnet zu werden. So sagte Alice in einem Interview: „Meine Schwester ist viel spontaner und dadurch auch aggressiver. Sie hat wenig Geduld, ist immer auf tausend Volt. Ich bin nicht so spontan, ich möchte immer überlegen. Ich brauche mehr Zeit.“
Auftritt in Udo-Jürgens-Musical
1959 nahmen die Kesslers am Eurovision Song Contest teil, der damals noch „Grand Prix Eurovision“ hieß. Ihr Lied „Heute Abend wollen wir tanzen gehen“ kam auf Platz acht von insgesamt elf Teilnehmern. Mehrere Singles waren in Deutschland mäßig erfolgreich.
In den Siebzigern scheuten sie nicht die Übernahme von Charakterrollen, etwa in den „Sieben Todsünden“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill am Münchner Gärtnerplatztheater.
2015 teilten sich Alice und Ellen Kessler eine Hauptrolle in dem Musical „Ich war noch niemals in New York“ mit der Musik von Udo Jürgens, wobei sie altersbedingt allerdings nicht mehr tanzten, sondern sich auf Schauspielerei beschränkten.
Alice und Ellen Kessler verstarben nach Angaben der BILD-Zeitung in ihrem Haus im Münchner Prominentenvorort Grünwald. Nähere Details nannte die Polizei gegenüber Nachrichtenagenturen nicht.

