An der Mittelschule in München-Moosach gibt es einen eigenen Raum, in dem zwei Beraterinnen bei der künftigen Berufswahl helfen. Ein Angebot, das die Schülerinnen und Schüler schätzen. Dass Diana und Dorian, beide 16 Jahre alt und in der 10. Klasse, schon jetzt wissen, was sie nach der Schule machen wollen, hängt aber auch mit ihren Familien zusammen: Diana will eine Ausbildung zur Anästhesiekrankenschwester machen, wie ihre Mutter. Dorian will Mechaniker werden und hat sich in den Betrieben von seinem Vater und seinem Bruder beworben: „Mein Vater hat sein Leben lang mit Handwerk gearbeitet, hat mir viel weitergegeben und beigebracht, mein Bruder auch.“
Ihre Mitschülerin Maria dagegen ist noch unsicher, sagt: „Ich bin wirklich frei für alles.“ Ob FOS nach der Mittelschule, Ausbildung oder jobben, weiß die 15-Jährige noch nicht, aber: Sie will mit Menschen arbeiten und ihnen helfen. Vielleicht im Altenheim. Für die Arbeit mit Kindern fehle ihr die Geduld, sagt sie und lacht.
Bei Jugendlichen wächst die Unsicherheit nach der Schule
Ein knappes Drittel junger Menschen erwägt mehrere Bildungswege – ist sich also, anders ausgedrückt, unsicher über die Zukunft nach dem Schulabschluss. Bei den Gymnasiasten sind es etwas mehr als bei den Real- und Mittelschülern. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB (externer Link), dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.
Prof. Silke Anger, Lehrstuhlinhaberin für Bildungsökonomik an der Universität Bamberg und Mitautorin der IAB-Studie, sagt im BR-Gespräch: „Insgesamt lässt sich feststellen, dass Jugendliche zögern bei der Bildungs- und Berufswahl, dass sie sich nicht so richtig festlegen wollen oder können.“
Weltweite Krisen und KI verstärken Unsicherheit der Jugendlichen
Auch aus anderen Studien sehe sie eine zunehmende Verunsicherung, so die Bildungsökonomin. Wirtschaftskrisen, Covid-Pandemie, Erderwärmung oder der Ukraine-Krieg verstärken die Unsicherheit. Dazu kommt Künstliche Intelligenz, die in Zukunft vielleicht ganze Jobs und Branchen übernehmen könnte.
Auch wenn Schülerin Maria sich noch nicht festgelegt hat: Im sozialen Bereich, in dem sie sich sieht, hat sie wenig Angst, künftig von einer KI ersetzt zu werden, „weil hier spielen ja auch Gefühle und Empathie mit, und das können Roboter nicht ersetzen.“
Ausbildungssuchende finden keinen Platz
Besonders brisant aus Arbeitsmarktsicht ist, dass jedes Jahr Zehntausende Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben – während gleichzeitig Zehntausende junge Menschen suchen. In diesem Jahr sind das – bei der Bundesarbeitsagentur gemeldet – deutschlandweit knapp 40.000 unversorgte Bewerber bei gleichzeitig fast 55.000 unbesetzten Ausbildungsstellen. Auch in früheren Jahren ist dieser „Mismatch“ vergleichbar, sagt Anger. Es gäbe mittlerweile knapp drei Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren, die keinen Berufsabschluss hätten. „Das sind fast 20 Prozent der jungen Menschen in diesen Altersgruppen.“
Hier seien alle gefordert, meint Professorin Silke Anger: Junge Menschen, die sich weiterbilden sollten. Betriebe, die auch auf die Bewerber zugehen sollen, die noch nicht alle Qualifikationen mitbringen – etwa die Hälfte der Stellen bleibt aus Mangel an geeigneten Bewerbern unbesetzt.
Dazwischen ist die Berufsberatung gefordert, sagt die Forscherin am IAB. Sie soll noch mehr als jetzt schon an den Schulen mit jungen Menschen arbeiten und ihnen helfen, ihre Stärken und Wunschberufe zu finden – und auf diesem Weg unterstützen.
Berufsberatung hilft Jugendlichen bei der Berufswahl
Hier gibt’s Infos zur beruflichen Orientierung bei der Bundesagentur für Arbeit (externer Link). Auch alpha Uni hilft bei der Orientierung für Studium & Beruf: alpha Uni begleitet Schüler, Studierende und Berufseinsteiger bei der Wahl ihres Studiengangs und den ersten Schritten im Job.

