Alte Fotos in einer kleinen Holzschachtel – das ist alles, was Claude von seinem Onkel Fred geblieben ist. Fred starb Ende der 90er-Jahre an AIDS. Als Kind hat Claude ihn vor allem als den lieben Onkel mit der Schwulenbar in München kennengelernt. Heute hat er viele Fragen: „Mich würde einfach interessieren, wie offen er mit seiner Sexualität gelebt hat, in München [und] wie er mit seiner Infektion gelebt hat.“
AIDS: „Ein neues Schreckenswort“ in den Achtzigern
Bis heute sind knapp 34.000 Menschen allein in Deutschland an AIDS gestorben. Zu Beginn der AIDS-Epidemie herrscht viel Verunsicherung, die bei einem Blick in alte Fernsehberichte immer noch deutlich spürbar ist: „AIDS! Das ist ein neues Schreckenswort aus der Medizin. Eine weitgehend unerforschte Krankheit, die auch als Lustseuche oder Schwulenkrankheit in die Geschichte eingegangen ist“, so formuliert es ein Nachrichtensprecher 1983 im rbb.
Zu Beginn der AIDS-Krise ist unklar, wie sich das Virus überträgt und es gibt kein helfendes Medikament. Schwule sind damals besonders stark betroffen und werden gesellschaftlich stigmatisiert und zu Schuldigen erklärt. Der siebenteilige BR-Podcast I Will Survive – Der Kampf gegen die AIDS-Krise schildert, was sie erlebt haben.
AIDS trifft queere Community als Erstes
In deutschen Großstädten trifft das neue Virus in den Achtzigern auf eine blühende queere Community. In München hat sogar Freddie Mercury ab 1979 fünf Jahre lang gelebt und war Teil einer Szene, in der er sich frei gefühlt haben soll. Bis heute pilgern Menschen zu Mercurys Denkmal dort. Dass auch er sich mit HIV infiziert, verheimlicht der Superstar bis zum Tag vor seinem Tod.
Das Forum Queeres Archiv München sammelt Erinnerungen an diese Zeit. Ein queerer Stadtguide aus den Achtzigern zeigt auf, dass es dutzende Schwulenbars zu der Zeit in München gab. Auch das Freds Pub ist darin verzeichnet, die Bar von Claudes Onkel Fred. Dazu alte Fotos von Fred, auf denen er Frauenkleider trägt und in Drag zu sehen ist. Als Claude diese Bilder zum ersten Mal sieht, muss er lachen. „Das ist mein Onkel oder wie? Witzig! Kaum zu erkennen, krass. Ja ich find’s toll!“ Fotos, die an die glücklichen Zeiten in der queeren Community erinnern.
Die lange Suche nach einem wirksamen Medikament
Wann genau sich Claudes Onkel mit HIV infiziert hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Doch das bahnbrechende Medikament zur Behandlung von HIV kam für ihn zu spät. 1987 wurden HIV-Positive erstmals mit einem Medikament behandelt: AZT kam auf den Markt. Dadurch konnten Patienten und Patientinnen zwar länger leben, doch AZT wirkt nicht auf Dauer. Es dauerte weitere neun Jahre, bis 1996 die sogenannte dreifache Kombinationstherapie erfunden wurde.
Heute ist die medizinische Situation gänzlich anders. Wer mit HIV lebt, hat eine durchschnittliche Lebenserwartung. Zur Behandlung nehmen HIV-Positive entweder täglich eine Tablette ein oder bekommen monatlich eine Spritze beim Arzt.
Die Fotos von Onkel Fred in dem alten Stadtguide sind erst der Anfang. Über das Forum queeres Archiv München führt die Spur zu einem alten Wegbegleiter. Ob er die Fragen von Claude beantworten kann?

