Sie sind noch mitten im Studium und unterrichten trotzdem schon ganze Klassen: Lehramtsstudierende arbeiten in Bayern immer öfter als Vertretungslehrkräfte. Die jungen Menschen erhalten befristete Verträge und werden gut entlohnt. Manche arbeiten zwei Stunden die Woche und haben einen erfahrenen Lehrer an der Seite.
Studierende als Lehrer: Wann das Studium leidet
Dann läuft es gut, doch das ist eher die Ausnahme, sagt Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg: „Es kann auch sein, dass Studierende 15 Stunden unterrichten, ganze Klassen leiten oder sogar für den Übertritt zuständig sind.“ Sie agieren im Prinzip genauso wie voll ausgebildete Lehrpersonen mit zwei Staatsexamina. Dafür seien die Studierenden nicht ausreichend vorbereitet, warnt der Pädagoge.
Die Folgen sei eine zunehmende Überforderung der jungen Menschen. „Wir haben die ersten Studenten, die Studienleistungen nicht schaffen, weil ihnen dafür wegen ihres Aushilfsjobs an Schulen Zeit und Kraft fehlt“, sagt Zierer. Er beobachtet bei seinen Studenten immer häufiger schlechte Noten. Sie erscheinen nicht zur Vorlesung und auch nicht zum Seminar. Manche brechen sogar ihr Studium ganz ab.
Aushilfslehrkräfte dürfen Noten geben
Auch für die Schülerinnen und Schüler ist die Situation schwierig. Die unerfahrenen Studentinnen und Studenten dürfen Noten geben und über die Leistungen der Kinder entscheiden. Ein Unding, findet die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann. Man müsse sich nur einmal überlegen, ob man wolle, dass ein Architekt, der noch im Studium ist, mal eben eine Brücke baut oder ein Jurastudent ein Gerichtsurteil verfasst.
Unterrichten sei komplex, betont Fleischmann, vor allem in der Grundschule, wo die Grundlagen gelegt werden: Lesen, Schreiben, Rechnen. Diese Kompetenzen Kindern beizubringen, sei keine einfache Aufgabe und müsse gelernt werden. Junge, unerfahrene Studierende würden nur das reproduzieren, was sie selbst in der Schule erlebt hätten. Genau das würde aber falsche Handlungsrituale produzieren und eine moderne Pädagogik verhindern.
Kultusministerium nennt keine Zahlen
Wie viele Studierende als Aushilfskräfte an den Schulen in Bayern arbeiten, dazu hat das Kultusministerium keine Zahlen, wie sich auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks herausstellte. Denn die Anstellung erfolgt über die zuständigen Schulämter oder die jeweilige Bezirksregierung.
Doch die Realität zeigt: Viele Schulleiterinnen und Schulleiter sind auf die jungen Menschen als Ersatz für fertig ausgebildete Lehrkräfte angewiesen. Bildungsforscher Zierer kann das nur bestätigen. Auch er kenne viele Schulen, die davon berichten, dass ohne diese Aushilfskräfte die Stundentafeln nicht mehr gefüllt werden könnten und dann Unterricht ausfallen würde. Grund sei der Lehrermangel.
Schulpädagoge: Junge Menschen werden verheizt
Lehramtsstudierende könnten diese Lücken aber nicht nachhaltig stopfen. Die jungen Menschen würden verheizt, sagt der Augsburger Schulpädagoge. Er fordert die Bildungspolitik auf, nur noch Aushilfsverträge über höchstens vier Unterrichtsstunden pro Woche zuzulassen.
Vor allem sei eine bessere Begleitung der Aushilfslehrer notwendig, die auch mit der Universität abgestimmt sein muss, damit die Schülerinnen und Schüler nicht unter dem Lehrkräftemangel leiden. Und damit die Studierenden im Lehramt nicht zu sehr unter Druck geraten, schon bevor sie ihr Studium überhaupt beendet haben.

