Jede Woche liefern unsere Expertinnen und Experten in ihrem Newsletter „Die Podcast-Entdecker“ frische Tipps aus dem Podcast-Universum. Zum Jahresende haben sie uns ihre Favoriten 2024 verraten.
Verena Vogelgsang empfiehlt: „I Will Survive“
Im vergangenen Jahr hat mich dieser Podcast wirklich berührt – und gut unterhalten. Perfect Match könnte man sagen. „I Will Survive“ erzählt von der vibrierenden, queeren Szene der 80er-Jahre in München, in der auch Freddie Mercury eine wichtige Rolle spielte. Plötzlich gibt es Gerüchte über eine ominöse Krankheit, die scheinbar nur schwule Männer heimsucht. Die AIDS-Krise trifft die Münchner Partyszene mit voller Wucht. Zeitzeugen und im echten Sinne Überlebende kommen ausführlich zu Wort und nehmen die Hörer mit auf eine Reise in diese aufregende, aber auch tragische Epoche. Mir gefällt außerdem sehr, wie Host Phillip Syvarth diese Geschichte erzählt hat und wie die Kolleg:innen von der Grafik dieses Cover umgesetzt haben.
Bildbeitrag
Till Ottlitz empfiehlt: „MAMMUT“
Bei keinem anderen Podcast hat mich die Zusammenarbeit mit der Autorin so sehr berührt wie bei „MAMMUT“: Lucia von Bredow ist für uns nach Paraguay gereist, um herauszufinden, warum ihr Vater Bernard und ihre Schwester Loreena dort 2021 von Unbekannten ermordet wurden. Gleich zu Anfang bricht sie mit True-Crime-Klischees, indem sie klarmacht: Sie wird die Mörder nicht finden. Dafür will sie ihre Familie und damit sich selbst besser verstehen.
Lucia erzählt extrem persönlich, offen und verletzlich darüber, wie es ist, mit einem Vater aufzuwachsen, der von Obsessionen (erst Mammuts, dann Geigen) getrieben ist und irgendwann in Verschwörungstheorien abdriftet. Lucias Einblicke in ihre Familiengeschichte sind ein Geschenk. Ihre einzigartige Stimme wird mich noch lange verfolgen.
Bildbeitrag
Kathi Roeb empfiehlt: „Die Entscheidung“
Da ist sie wieder, die Zeit der Jahresrückblicke. So ganz können wir uns dem nicht entziehen (wir stecken ja selbst gerade mittendrin!), auch wenn ich manche Weltereignisse von 2024 am liebsten in einer großen Tonne verschwinden lassen würde. Das wäre einfach – und verantwortungslos. Wenn wir uns damit beschäftigen, was in diesem Jahr passiert ist, dann mit der Frage: „Wie sind wir hier gelandet?“ Der Podcast „Die Entscheidung“ ist mein persönlicher Favorit, um nachzuvollziehen, wie uns politische Entscheidungen ins Jetzt geführt haben.
In jeweils vier Folgen pro Thema gehen die Hosts Christine Auerbach und Jasmin Brock abwechselnd mit Reporterinnen und Reportern zurück in die Geschichte und finden Vorahnungen, Fliegen, die zu Elefanten wurden und knallharte Kurswechsel, wie zum Beispiel in Wladimir Putins Rede von 2001: „Russland ist ein freundliches europäisches Land“, versicherte er damals im Bundestag. Gründlich recherchiert mit viel Liebe zum Detail und meine absolute Empfehlung von 2024.
Bildbeitrag
Vanessa Schneider empfiehlt: „Lost Patients“
Wer die USA besucht, begegnet ihnen zwangsläufig: Zeltcamps von Wohnungslosen. Die häufen sich in den Städten seit ein paar Jahren, denn die Mietkosten explodieren, Wohnungen sind rar und die Opioidkrise wütet weiter. Doch das ist nicht alles: Auch das US-Gesundheitssystem spielt hier eine Rolle. Wie „Lost Patients“ von KUOW und The Seattle Times zeigt, werden psychisch schwer kranke Patienten oft nach einer kurzen stationären Behandlung in die Obdachlosigkeit entlassen. Patienten, die unter Psychosen leiden, die – unbehandelt – sich und ihre Umwelt gefährden könnten.
In sechs manchmal schwer verdaulichen Teilen berichten Host Will James und die Reporterinnen Sydney Brownstone und Esmy Jimenez von der Entstehung eines unmenschlichen Systems, indem sie Betroffenen und ihren Angehörigen eine Stimme geben. Und was ich ganz besonders toll finde: Wir erfahren auch, wie sich eine Psychose anfühlt und wie man mit ihr ein selbstbestimmtes Leben führen kann.
Bildbeitrag
Hardy Funk empfiehlt: „Musik ist eine Waffe“
Wochenlang hatte ich dieses Jahr das Gitarren-Riff von „Die letzte Schlacht gewinnen wir“ im Ohr, aus dem Intro des Ton-Steine-Scherben-Podcasts „Musik ist eine Waffe“. Ein Podcast, so gut wie die Musik dieser ersten wirklichen deutschsprachigen Rockband, auch dank vieler Töne aus einem 60-stündigen Gespräch mit Rio Reiser über sein Leben. Es war total packend, der wendungsreichen Story der Band zu folgen und nebenbei auch eine Geschichte der alten BRD erzählt zu bekommen, von den Studentenprotesten 1968 bis zur Wiedervereinigung 1990. Auf wenige Podcast-Folgen habe ich dieses Jahr mehr hingefiebert – und das, obwohl es zuletzt viele gute Musik-Podcasts gab, darunter auch „Becoming The Beatles“ über die Anfänge einer anderen sehr interessanten Band.
Bildbeitrag
Larissa Vassilian empfiehlt: Peter und der Wald
Deutschlands bekanntester Waldkenner Peter Wohlleben spaziert in „Peter und der Wald“ mit oder ohne Gast durch Wälder und redet dabei über alles, was dort wächst, krabbelt und wurzelt. Ich habe gelernt, dass das Wort „Buch“ von der Buche kommt und dass die Buche im Laufe ihres Lebens 1,8 Millionen Bucheckern produziert. Mit diesem Wissen nerve ich seit Wochen meine Familie beim Abendessen und höre gerade alle alten Folgen nach.
Bildbeitrag
Philipp Grammes empfiehlt: Wild Wild Web
Der Podcast „Wild Wild Web“ ist nicht neu, aber mein Hör-Pflichtprogramm. Wo sonst hätte ich den Ursprung des Begriffs „Talahon“ erfahren, der politisch gegen arabischstämmige Jungs instrumentalisiert wird? Oder die KinoX.to-Story aus der Binnensicht dieser ersten Streaming-Plattform kennengelernt? Mein absolutes Highlight dieses Jahr: Das WWW-Team hat es tatsächlich geschafft, das Rätsel um den „mysteriösesten Song des Internets“ aufzulösen. Die Hosts nehmen die Memes und die Netzkultur ernst, allerdings nicht so ernst, um nicht auch die absurden und abseitigen Geschichten aus dem Internet zu erzählen. Wer sich im Netz auskennen und mitreden möchte, kommt um Wild Wild Web nicht herum.
Hier können Sie in die Folge über den „mysteriösesten Song des Internets“ hineinhören:
Audiobeitrag
Den Newsletter „Die Podcast-Entdecker“ können Sie hier abonnieren.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
„Hier ist Bayern“: Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!