Das Erste, was man sieht, ist eine stählerne Wand: eine Reihe sogenannter Crowd-Barriers“, wie man sie von Konzerten und Demonstrationen kennt, verstellt den Blick auf ein Video, nur die Musik ist zu hören: „Pretty and witty and gay“ (hübsch, witzig und gay) fühlt sich Maria aus der West Side Story, und mit „gay“ ist hier „strahlend“ gemeint. Hat man die Hürden umschifft, sieht man die Künstlerin Anne Imhof in Lederjacke und mit offenen dunklen Haaren. Sie steht in einem engen Raum, der ganz in rotes Licht getaucht ist und schaut in die Kamera wie in einen Spiegel.
Experimente mit dem eigenen Spiegelbild
„Das waren diese ersten DV-Kameras, so kleine Camcorder für wenig Geld und man konnte den Monitor umdrehen, und so war das auch für mich so ein erster Moment von sich selbst filmen und performen für die Kamera und sich selbst dabei sehen zu können“, sagt Imhof im BR-Interview. Das habe sie irgendwann wieder sein lassen, weil das natürlich auch eine andere Auseinandersetzung sei mit dem eigenen Bild: Wenn man sich sofort sehen könne, habe man sogar einen anderen Blick oder sehe anders aus.
Mit strengem, fragendem Blick probiert sie unterschiedliche Kopfhaltungen, klebt einen Kaugummi an die Scheibe und beginnt auf einmal, in Richtung Kamera zu boxen, auf ihr eigenes Spiegelbild zu.
Die Zeit des Coming-out
„Als ich mein Coming-out hatte und in dieser Phase von meinem Schaffen, war das auf jeden Fall ein Sich-Selbst-Behaupten, um die Nähe zur Kamera und die Art der Präsentation und der Erotik selbst bestimmen zu können“, sagt die Künstlerin. Es ist ungewohnt, Anne Imhof persönlich im Video zu sehen, ließ sie bisher doch vornehmliche andere performen, Schauspieler- oder Tänzerinnen. Im Kunsthaus Bregenz zeigt die 46-Jährige nun gleich mehrere unveröffentlichte Arbeiten aus ihren 20ern. Es ist Anne Imhofs persönlichste und intimste Ausstellung.