Wachsende Sorgen über das gesellschaftliches Klima treiben junge Menschen in Deutschland um. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ). Zum Auftakt des 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags stellte die AGJ heute ihren Kinder- und Jugendhilfe-Monitor 2025 vor – ein umfassendes Lagebild zur Situation junger Menschen in Deutschland.
Das gesellschaftliche Klima macht Angst
Laut der Studie ist eine große Angst von Jugendlichen die der Feindseligkeit zwischen Menschen. Sie sei genauso verbreitet wie die Angst vor Ausländerfeindlichkeit, die nach wie vor häufiger genannt wird als die Angst vor weiterer Zuwanderung.
Feindseligkeit trifft die Jugend laut der Studie doppelt: emotional durch Unsicherheit und Rückzug und politisch durch wachsendes Misstrauen gegenüber Institutionen. Die Folge: Junge Menschen, die sich nicht gesehen fühlen, verlieren das Vertrauen in demokratische Prozesse, obwohl sie, wie der Monitor zeigt, mehrheitlich von der Demokratie überzeugt sind.
Koalitionsvertrag unzureichend
Diese Sorgen adressiere der Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-roten Regierung nicht ausreichend, kritisieren die Studienmacher. Zwar befinden sich einige Vorhaben für Jugendliche darin, wie ein nationaler Kinder- und Jugendgipfel oder die Stärkung von Freiwilligendiensten. Doch aus Sicht der AGJ reicht das nicht aus: „Der Abschied von einer ambitionierten Klimapolitik, das Ausbleiben notwendiger Reformen der Sozialversicherungssysteme […] sowie eine vorrangig auf Abschottung setzende Asylpolitik tragen nicht zu mehr Generationengerechtigkeit bei“, heißt es in der Studie.
Die AGJ fordert deshalb einen unabhängigen Kinder- und Jugendbeauftragten sowie einen jugendpolitischen Beirat im Bundeskanzleramt. Beide sollen dauerhaft die Interessen junger Menschen auf höchster Ebene vertreten. Zur Absicherung und Stärkung der Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sollen außerdem über die kommenden zehn Jahre mindestens zehn Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für Infrastruktur in einen nationalen Fonds für Kinder- und Jugendhilfe fließen. „Wer jetzt in die Kinder und Jugendlichen investiert, sichert damit Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft insgesamt“, meint die Vorsitzende der AGJ, Karin Böllert.
Kinder- und Jugendarmut: Ein strukturelles Versäumnis
Dieses Geld soll auch genutzt werden, um jedem Kind unabhängig von Herkunft und sozialem Status gleiche Chancen zu ermöglichen. Laut der AGJ-Studie sind über 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Armut bedroht. Dabei gehe es aber nicht nur um einen Mangel an Geld, sondern auch an Teilhabe, Bildungschancen und gesundheitlicher Versorgung. Entsprechend fordern die Studienmacher die Einführung einer Kindergrundsicherung: „Kluge Investitionen zugunsten junger Menschen und Familien sind der Wohlstand von morgen und ein echter Standortfaktor“, so die Vorsitzende Böllert.
Die Kindergrundsicherung war ein sozialpolitisches Reformvorhaben der Ampelregierung, das mehrere familien- und kinderbezogene Leistungen, wie beispielsweise Kindergeld und Bürgergeld-Anteile bündeln und vereinfachen sollte. Die geplante Einführung zum 1. Januar 2025 scheiterte unter anderem, weil sich SPD, Grüne und FDP beim Thema Geld und Personal nicht einigen konnten.
Große Lücke belastet Kinder- und Jugendhilfe
Die Probleme und Sorgen von Kindern und Jugendlichen aufzufangen, gestaltet sich durch den Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe allerdings zunehmend schwierig – die AGL bezeichnet die Lage als „historisch“. So gab es im Jahresdurchschnitt 2021/2022 laut der Studie über 20.500 offene Stellen und damit die größte Fachkräftelücke im Vergleich zu anderen Berufsgruppen.
Hohe Arbeitsbelastung und krankheitsbedingte Ausfälle verschärfen die Lage zusätzlich. Die AGL fordert deswegen, gerade in den neuen Bundesländern, faire Bezahlung und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen, um dem Mangel entgegenzuwirken und die Kinder- und Jugendhilfe zu entlasten.