Ein schweres Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka hat Warnungen vor Tsunami-Wellen an den östlichen Küsten Russlands und Japans sowie in westlichen Bundesstaaten der USA ausgelöst. Mit einer Stärke von 8,8 war das Beben laut der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 – und wurde seit Beginn der Messungen überhaupt nur von fünf Beben übertroffen.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass gab die Stärke mit 8,7 an, das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam mit 7,8. Das Zentrum des Bebens lag den Angaben zufolge in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der nur dünn besiedelten Küste Kamtschatkas, und relativ tief unter dem Meeresboden.
Verängstigte Menschen flüchten auf die Straße
In der russischen Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut Tass verängstigte Menschen barfuß ins Freie. Kleiderschränke stürzten um, Autos rutschten über wackelnde Straßen und ein Kindergarten-Gebäude wurde schwer beschädigt. Zeitweise sei das Strom- und Telefonnetz zusammengebrochen. Laut dem regionalen Gesundheitsminister gab es mehrere Verletzte.
Die russische Katastrophenschutzbehörde teilte mit, ein Tsunami habe die Hafenstadt Sewero-Kurilsk getroffen und den örtlichen Hafen überflutet. 2.000 Einwohner seien in Sicherheit gebracht worden. Die stärkste Welle sei sogar fünf Meter hoch gewesen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Mittwoch unter Berufung auf Rettungsdienste.
In der russischen Region Sachalin wurden Küstenbewohner vorsichtshalber evakuiert. Stellenweise brandeten laut Tass Tsunami-Wellen von drei bis vier Metern Höhe an Land.
Evakuierungsaufrufe auch in Japan
Japans Behörden stuften ihre Tsunami-Warnung am Vormittag (Ortszeit) hoch: An der Pazifikküste drohten demnach bis zu drei Meter hohe Flutwellen. Die japanische Feuerwehr- und Katastrophenschutzbehörde sprach eine Evakuierungsempfehlung für mehr als 900.000 Bewohner aus. Sie sollten trotz der enormen Sommerhitze dort auch vorerst bleiben. Die Tsunami-Warnung könne noch einen Tag oder sogar länger in Kraft bleiben. Rund 133 Gemeinden entlang der japanischen Pazifikküste von Hokkaido bis Okinawa waren davon betroffen.
Die japanische Regierung richtete einen Krisenstab ein. Ministerpräsident Shigeru Ishiba rief die Menschen auf, sich in höher gelegene Gebiete oder Evakuierungsgebäude zu begeben. Nach Aussagen eines Regierungssprechers gab es jedoch zunächst weder Berichte über Opfer noch über Schäden.
Im japanischen Fernsehen waren Bilder von Menschen zu sehen, die in ihren Autos oder zu Fuß in höher gelegene Gebiete flohen – etwa auf der nördlichen Insel Hokkaido. Der Betreiber des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima brachte seine Arbeiter in Sicherheit. „Wir haben alle Arbeiter und Angestellten evakuiert“, sagte eine Sprecherin des Akw-Betreibers Tepco der Nachrichtenagentur AFP. In der Ruine des Kraftwerks seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden.
Hawaii: Drei Meter hohe Wellen erwartet
Das staatliche Tsunami-Frühwarnsystem in den USA sprach ebenfalls von Wellen von bis zu drei Metern Höhe, die die Küste des Tausende Kilometer vom Zentrum des Bebens entfernten Bundesstaats Hawaii kurz nach 7 Uhr am deutschen Morgen erreichen könnten. Küstenbewohner sollten die gefährdeten Gebiete sofort verlassen oder in mindestens zehnstöckigen Gebäuden Schutz suchen, hieß es. Außerdem sollten Schiffe auf Geheiß der US-Küstenwache die Häfen von Hawaii verlassen, um nicht von den Wellen an Land gespült zu werden.
Auch für Alaskas Westküste wurde eine Tsunami-Warnung erlassen. Weiter entfernte Pazifikstaaten wie die Philippinen und Indonesien wappneten sich ebenfalls für drohende Flutwellen. Auch in Mexiko, Peru und Ecuador gab es örtliche Warnungen. In China wurden Tsunamiwellen von bis zu einem Meter Höhe erwartet.
Kontinentalplatten treffen aufeinander
Bei der Halbinsel Kamtschatka treffen die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander, was die Region zu einer der weltweit erdbebenreichsten Zonen macht. Am 20. Juli hatte sich in der Region bereits ein Erdbeben der Stärke 7,4 ereignet. Dabei kam es zu keinen größeren Schäden.
Mit Informationen von dpa, AP und AFP