Darum geht’s:
- Gegner von E-Mobilität verbreiten ein Video eines E-Busses aus Hamburg, der liegenblieb. Sie verwenden es als vermeintlichen Beleg für allgemeine Hitzeprobleme bei E-Bussen.
- Laut Experten bringen E-Busse Fahrgäste auch bei mehr als 30 Grad zuverlässig ans Ziel. Hitze verringert die Reichweite von E-Bussen, aber beeinträchtigt den Fahrgastbetrieb nicht.
- Die Pauschalisierung einzelner Aufnahmen defekter E-Busse als Beleg für die Unzuverlässigkeit von E-Mobilität folgt klassischen Strategien von Klima-Desinformation.
E-Busse sind in vielen deutschen Städten, auch in Bayern, fester Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs. Doch Gegner von E-Mobilität streuen falsche Behauptungen, um emissionsarme ÖPNV-Flotten zu diskreditieren. In den Sommermonaten nutzen sie dafür die Hitze als Scheinargument gegen E-Batterien.
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Als vermeintlichen Beleg teilen sie Ende Juni ein Video in den sozialen Netzwerken. Es stammt offenbar von einem Busfahrer der Hamburger Hochbahn, der es ursprünglich auf TikTok postete. In dem Video ist ein E-Bus der Hamburger Hochbahn zu sehen, die Wartungsklappen an Seiten und Heck sind geöffnet. Dazu der Text „Bus macht bei 33°C nicht mehr mit“. Aus dem Off sagt der Busfahrer, die Wärme habe sich hinten im Motorraum gestaut, er habe eine Warnung bekommen, dass es dort zu warm werde.
Gegner von E-Mobilität verbreiten das Video vor allem auf der Plattform X mit Behauptungen wie: „Jetzt versteht man auch das Drama von Temperaturen über 30 Grad. Die E-Busse überhitzen und müssen stehen bleiben, um abzukühlen.“ Ein weiterer User bezeichnet E-Busse im ÖPNV als ein „dummes Totalversagen auf Basis der Klimalüge“.
Die Pressestelle der Hamburger Hochbahn reagiert auf die Gerüchte: „Die Aussage, die dort getroffen wird, ist schlicht Bullshit“, heißt es in einer Mail an den #Faktenfuchs. Und weiter über die Funktionstüchtigkeit bei sommerlichen Außentemperaturen: „Unsere E-Busse schalten nicht bei 25 Grad, nicht bei 30 Grad, nicht bei 35 Grad ab.“ Bei der Hochbahn waren nach eigenen Angaben im Juni 337 E-Busse Teil der Flotte. Dazu, was genau auf dem Video zu sehen ist, macht die Hochbahn auch nach mehrmaliger Nachfrage keine Angabe mit dem Hinweis, man könne sich nicht zu Einzelfällen äußern.
Auch andere Verkehrsgesellschaften, die E-Busse betreiben, wie die VAG Nürnberg, die Münchner Verkehrsgesellschaft und der Landkreis Passau, berichten von einem zuverlässigen Einsatz der Busse während der Hitzewelle im Juni.
Batterien sind mit Kühlsystem ausgestattet
Hans-Georg Schweiger, Forschungsprofessor für Energiespeichersysteme an der Technischen Hochschule Ingolstadt, widerspricht den Behauptungen über die angebliche Hitzeanfälligkeit von E-Bussen: „Wenn der E-Bus richtig konstruiert und ausgelegt ist, sollte das nicht passieren, da die Batteriesysteme mit einem Kühlsystem ausgestattet sind“, sagte er dem #Faktenfuchs.
Zwar könne die Temperatur von schwarz lackierten Bussen an der Oberfläche bei mehr als 30 Grad Außentemperatur mal 80 Grad betragen, die Batterie sei aber durch Luft, Isolatoren und Kühlung geschützt. In der Regel werde eine Temperatur von 20 bis 25 Grad innerhalb der Batteriemodule gehalten.
Bei dem Bus im Video vermutet er einen Defekt, wie er „völlig technologieunabhängig bei jedem technischen System vorkommen kann“. Möglicherweise sei das Kühlsystem beschädigt oder verschlissen. Auch ein Dieselmotor würde ohne Kühlung abschalten und ausfallen.
Hersteller passen E-Busse an Einsatzgebiet an
Ein weiterer Beleg dafür, dass Elektrobusse auch bei Außentemperaturen von 30 Grad und mehr betriebsfähig sind, ist die Stadt mit den weltweit meisten E-Bussen: Die chinesische Sonderwirtschaftszone Shenzhen im Süden des Landes. In der Stadt sind seit 2017 rund 17.000 Elektrobusse in Betrieb. Die durchschnittliche Maximaltemperatur in Shenzhen liegt im Sommer bei 30 bis 31 Grad.
„Wenn Elektrobusse bei 30 Grad und mehr ständig stehenbleiben würden, würden in heißen Regionen wohl nicht so viele E-Busse genutzt“, sagt Thoralf Knote vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme. Er forscht dort zu Fahrzeug- und Verkehrssicherheit. Die Stadt mit den zweitmeisten Batteriebussen sei Santiago de Chile. Auch in Ländern wie Italien oder Spanien fahren Knote zufolge E-Busse ohne Probleme.
Zudem passen die Hersteller die E-Busse laut Schweiger von der TU Ingolstadt speziell an das Klima des jeweiligen Einsatzgebietes an. In kalten Gebieten wie Kanada oder Skandinavien kommen anders konstruierte E-Busse zum Einsatz als beispielsweise in Saudi-Arabien. Sogenannte Heißlandausführungen enthalten oft zusätzliche Maßnahmen zur Kühlung der Batterien. Da Elektrobusse häufig in kleinen Stückzahlen produziert werden, seien sie teilweise sogar auf eine spezifische Stadt ausgelegt.
Verringerte Reichweite hat keinen Einfluss auf Fahrgastbetrieb
Wenn auch nicht so stark wie bei Kälte, haben die Busse auch bei Hitze eine verringerte Reichweite. Denn bei hohen Temperaturen brauchen sie mehr Energie, um den Fahrgastinnenraum zu kühlen. Das heißt: Im Sommer wird mehr Strom benötigt und die Batterien müssen häufiger geladen werden. Je stärker die Klimaanlage arbeitet, desto mehr verliert der Bus an Reichweite. „Aber da reden wir immer noch von 200 bis 250 Kilometern“, sagt Knote vom Fraunhofer-Institut. Zudem entwickelten Forschungsinstitute und Hersteller die E-Busse fortlaufend weiter Die Reichweite habe sich in den vergangenen zehn Jahren etwa verfünffacht. Knote rechnet damit, dass die Reichweite sich noch weiter erhöhen werde.
Für die Fahrgäste mache sich ein Reichweitenverlust nicht bemerkbar, schreibt die Nürnberger Verkehrsgesellschaft VAG dem #Faktenfuchs per Mail. Sie betont, dass sie die Busse entsprechend der wahrscheinlichen Reichweite einteilten. „Wir laden eBusse auch untertags, die nach der Morgenspitze einrücken und zur Mittags-Nachmittagsspitze wieder ausrücken. Wir haben inzwischen mehr als die Hälfte der Flotte umgestellt und wirklich gute Erfahrungen.“
Die Verkehrsgesellschaft Berlin wirke der verringerten Reichweite mit Zwischenladen entgegen, sagt Dietmar Göhlich. Er forscht an der TU Berlin zum Thema Elektrifizierung des Busverkehrs und leitet den Forschungscampus Mobility2Grid.
„An den Endhaltestellen gibt es Ladestationen mit relativ hoher Ladeleistung. Da wird die Batterie in fünf Minuten wieder von beispielsweise 30 auf 80 Prozent geladen. Der Bus kann dann munter weiterfahren“, sagt Göhlich. An den Endhaltestellen sei ohnehin eine fünf- bis zehnminütige Pause für die Fahrer eingeplant. Wenn der Bus währenddessen lädt, ist er bis zu 48 Stunden einsetzbar.
Sind E-Busse im Sommer deutlich teurer?
Ein weiterer User beschwert sich auf der Plattform X, die E-Busse würden „für unglaublich viel Geld“ angeschafft, ständen dann aber Hitze und Kälte nicht funktionsfähig „in sehr großen, sehr teuer und aufwändig klimatisierten Hallen, die auch noch ständig überwacht werden müssen“.
In der Rahmenempfehlung für elektrisch betriebene Busse des Verbands der Deutschen Verkehrsunternehmen, die der #Faktenfuchs einsehen konnte, steht: „Die Funktionsfähigkeit der Fahrzeugteile und die Betriebssicherheit der Fahrzeuge müssen mindestens im Bereich von -25 Grad bis 40 Grad Außentemperatur bei Freiaufstellung gewährleistet bleiben (…).“
„Freiaufstellung“ bedeute in diesem Zusammenhang, dass die Busse auch funktionieren müssen, „wenn sie den lieben langen Tag draußen unter der prallen Sonne aufgestellt werden“, sagt Knote vom Fraunhofer-Institut. Die Batterie müsse vor der Fahrt auf Betriebstemperatur um die 20 Grad gebracht werden, was aber weder teuer noch aufwendig sei.
Da das Batteriesystem bei einem E-Bus verhältnismäßig groß ist, dauert es, bis es durchwärmt. Wenn der Bus einige Stunden in der Sonne steht, führt das also nicht direkt zum Überhitzen der Batterie. In der Regel reicht die Nacht zum Kühlen, um die Temperatur im unbedenklichen Bereich zu halten. „Das ist wie bei einem Swimmingpool“, sagt Schweiger, „es dauert länger als einen Tag, bis der durchwärmt“.
E-Fahrzeuge häufig Ziel von Falschbehauptungen
Falschbehauptungen zu E-Mobilität sind typisch für Klimadesinformation. Laut eines Berichts der Koalition „Climate Action Against Disinformation“, einem Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen aus dem Bereich Klima und Desinformationsbekämpfung, ist auch die Art und Weise wie in den Behauptungen zu angeblich hitzeanfälligen E-Bussen argumentiert wird, typisch. Die verbreitete Aufnahme zeigt einen Einzelfall eines defekten E-Busses, der als Beleg dafür gelten soll, dass E-Busse insgesamt unzuverlässig seien. Das sei eine gängige Strategie der Klimadesinformation und insbesondere üblich für Fehlinformationen über E-Mobilität, schreiben die Autoren des Berichts. Sie untersuchten ein Jahr lang den Online-Diskurs zu erneuerbaren Energien.
Da die einzelnen Aufnahmen oft schwer zu überprüfen seien, hielten sich längst widerlegte Behauptungen, die Elektromobilität pauschal verurteilten, beständig. Wie aus dem Bericht hervorgeht, lasse die wiederholte Konfrontation mit solchen Behauptungen auch jene zweifeln, die sich vor den Folgen der Klimakrise fürchteten. Angesichts der nachgewiesenen Verbindung zwischen fossilen Brennstoffen und dem Klimawandel nutzten Lobbygruppen aus der fossilen Brennstoffindustrie solche Narrative, um die Energiewende zu verzögern, so die Autoren des Berichts.
Fazit
E-Busse schalten bei einer Außentemperatur von mehr als 30 Grad nicht systematisch ab, das sagen verschiedene Experten übereinstimmend. Die Batterie des Busses wird durch ein Kühlsystem vor Überhitzung geschützt.
Zwar verringert sich bei Hitze die Reichweite des Busses, doch können die Verkehrsbetriebe dem durch angepasste Einsatzpläne und Zwischenladen entgegenwirken. Zudem passen die Hersteller die Busse individuell an das Klima im jeweiligen Einsatzbereich an.