Schule, Tanzen, Musikschule, Sport, Freunde treffen, ein Ausflug zum Trampolinspringen, das sind die Themen, die die 13 Jahre alte Helena beschäftigten. So weit, so gewöhnlich. Eher ungewöhnlich ist, dass das Mädchen das mit 40.000 Menschen teilt.
Sie ist eine von mehreren Kinder-Influencern, die die Youtuberin Jennifer Hügel bei WhatsApp gefunden hat (externer Link). Namen und Alter von „Helena“ hat sie anonymisiert. Hügel zeigt in ihrem Video zugleich ein bisher kaum bekanntes Phänomen auf: WhatsApp als „heimliche“ Social-Media-Plattform – auch für Kinder.
WhatsApp bei Kindern beliebt
Ein reiner Messenger ist die App nämlich bei weitem nicht mehr. Seit der Einführung von WhatsApp-Channels können Unternehmen, Medien und Privatpersonen in Kanälen Texte, Fotos und Videos öffentlich mit der gesamten WhatsApp-Community teilen. Die kann mit Emojis reagieren, aber in Channels nicht direkt antworten.
Auch die vielen Kinder bei WhatsApp können so einen Kanal starten. Laut der JIM-Studie 2024 nutzen 81 Prozent der Zwölf- und 13-Jährigen WhatsApp; TikTok und Instagram dagegen nur 21 beziehungsweise elf Prozent.
Einfach so nach Social-Media-artigen Kanälen von Kindern suchen kann man bei WhatsApp zwar nicht, Youtuberin Hügel hat bei ihrer Recherche jedoch 30 bis 40 Kanäle gefunden, wo etwa Mädchen Sportvideos, ihren Tagesablauf und mehr posten. Teils schauen zehntausende Follower dabei zu. „Ich bin mir sicher, wenn ich weiter machen würde, würde ich auf hunderte weitere stoßen“, so Hügel.
Experten: Reale Gefahr für Kinder
Sie alle setzen sich durchaus realer Gefahr aus, wie auch Klicksafe, eine EU-Initiative für Medienkompetenz, warnt. „Kinder können durch ihr Auftreten in WhatsApp-Kanälen ins Visier von Personen gelangen, die einen sexuellen Missbrauch vorbereiten wollen und die versuchen werden, mit diesen Kindern Kontakt aufzunehmen“, erklärt Klicksafe-Experte Martin Bregenzer auf BR24-Anfrage.
Zwar ermöglichen die WhatsApp-Channels keine direkte Kontaktaufnahme, jedoch posten in der Praxis laut Bregenzer viele der jüngeren User dort Informationen oder Links zu anderen Profilen, die eine Kontaktaufnahme ermöglichen können.
Und selbst, wenn sie dies nicht tun, droht Gefahr. „Auch vermeintlich harmlose Aufnahmen von Kindern, die sie beispielsweise beim Sport oder beim Tanzen zeigen, werden im Internet regelmäßig zweckentfremdet, sexualisiert und unerlaubt weiterverbreitet“, so der Experte. Aufnahmen könnten etwa in pädokriminellen Netzwerken landen oder genutzt werden, um die Kinder damit zu erpressen oder zu quälen.
Eltern wohl oft ahnungslos
Vielen Eltern dürfte nicht bewusst sein, dass ihre Kinder mit WhatsApp eine App nutzen, die es ermöglicht, sein Leben mit zehntausenden Fremden zu teilen. So bestätigt auch die ARD/ZDF-Medienstudie aus 2024, dass die Bekanntheit und Nutzung der WhatsApp-Kanäle bei jüngeren Nutzern deutlich größer ist als bei den älteren.
Doch wie können Eltern damit umgehen? Eine komplette WhatsApp-Abstinenz erscheint angesichts der Allgegenwärtigkeit der App zur Kommunikation mit Freunden, Eltern, Großeltern und der Schulklasse schwieriger als bei Instagram oder TikTok.
Was können Eltern tun?
Eine pauschale Lösung im Umgang mit WhatsApp gibt es nicht, wie Klicksafe-Experte Bregenzer erklärt. „Zunächst ist es wichtig, dass Eltern überhaupt bewusst ist, dass es die Funktion von WhatsApp-Kanälen gibt“, sagt er. Zudem könnten auch große WhatsApp-Gruppen ähnliche Risiken bergen.
Falls Eltern ihrem Kind die Nutzung von WhatsApp dennoch erlauben wollen, rät Bregenzer dazu, klare Grundregeln mit dem Kind aufzustellen und darüber zu sprechen, was private Informationen sind und wie man Mobbing oder Sex- und Gewaltvideos dort umgehen sollte. Darüber hinaus sollten Eltern – gerade bei jüngeren Kindern – die Nutzung begleiten, über Inhalte sprechen und sie sich nach Absprache auch zeigen lassen, so der Experte.
Social-Media-Verbot komplex
Die für viele überraschende Nutzung von WhatsApp als soziales Medium zeigt zugleich die Komplexität von Social-Media-Verboten, wie Politiker wie Cem Özdemir (Grüne) sie ins Spiel bringen. Während viele wohl Instagram und TikTok im Kopf haben, wird klar, dass eine Abgrenzung von Social Media und anderen Kommunikationsangeboten nicht leicht werden dürfte.
AUDIO: Social-Media-Verbot für Kinder: Schutz oder Freiheitsbegrenzung?