Diese Nachricht vor einigen Tagen ließ aufhorchen: Schlangenforscher vermuten eine große Population an Kreuzottern im Bayerischen Wald. Auf einer Wiese in Lindberg im Kreis Regen wurden sieben der Tiere gleichzeitig gefunden. Und das, obwohl die einzige Giftschlange Bayerns als stark gefährdet gilt und auf der Roten Liste steht. Früher wurden sie sehr gefürchtet und daher häufig getötet.
Im Bayerischen Wald gibt es noch Kreuzottern
Im Bayerischen Wald gebe es tatsächlich noch Kreuzottern, aber nur ganz punktuell in bestimmten Gebieten, sagt Markus Schmidberger vom Landesbund für Vogelschutz in Cham. Etwa in einigen Berg-Hochlagen mit Waldwiesen, zum Beispiel in der Region Arber-Kaitersberg. In der Oberpfalz findet man vereinzelt noch welche in den Kiefernwäldern zwischen Roding und Bodenwöhr. Denn der Lebensraum muss perfekt passen. Er muss etwa tagsüber warm, aber nachts kühl sein.
Bayerisch-tschechischer Grenzkamm ist Rückzugsort
Kreuzottern brauchen Moorgebiete oder strukturreiche Landschaften, zum Beispiel Wiesen mit Hecken und Lesesteinmauern, lichte Wälder oder Waldränder mit Totholz und Steinen. All das wird in Bayern immer seltener. Dazu kommen Zersiedelung und Straßen. Das schränkt den Lebensraum der Schlangen ein. „Wo die intensive Landwirtschaft beginnt und es viele Straßen gibt, da findet man keine Kreuzotter mehr“, sagt Paul Hien. Er ist Kreuzotter-Experte im Bayerischen Wald, einer der versiertesten Kenner dieser Schlangenart.
„Im vorderen Bayerischen Wald zum Beispiel sind schon seit Jahren keine mehr nachgewiesen worden“, sagt er. Hien erforscht auch für den Nationalpark Bayerischer Wald, wie es um die Bestände steht. Aber der ganze hintere Grenzbereich zu Tschechien vom Arber bis zum Plöckenstein sei immer noch ein „gutes Kreuzotter-Gebiet.“ Aber es sei nur ein schmaler Streifen, der fast jedes Jahr kleiner werde. Die Tiere profitierten hier aber von den Beständen im direkt angrenzenden Tschechien, wo im Grenzgebiet viele nasse Wiesen niemals trockengelegt worden sind.
Kreuzottern lieben es feucht, zu viel Hitze vertragen sie nicht
Kreuzottern liegen zwar wie alle Schlangen gern in der Sonne, um als wechselwarme Tiere „auf Temperatur“ zu kommen. Aber sie brauchen zugleich genügend Feuchtigkeit und gehören bei den Schlangen zu den eher kälteliebenden Arten. Zu viel Hitze vertragen sie nicht. Auch im Schwarzwald lebten zum Beispiel noch Restpopulationen in Mooren, erzählt Hien. Eigentlich sei es ihnen dort aber schon zu warm geworden. Isolierte Vorkommen gibt es auch noch in den Alpen, im Fichtelgebirge oder im Nürnberger Reichswald. Hier besteht aber teilweise schon die Gefahr von Inzucht und damit Krankheitsanfälligkeit.
Wie wahrscheinlich ist es, auf eine Kreuzotter zu treffen?
Erwachsene Kreuzottern fressen Frösche und Kleinsäuger, vor allem alle Arten von Mäusen. Junge Kreuzottern werden nach ihrer Geburt nicht gefüttert, sondern müssen sich von Anfang an selbst ernähren. Sie schaffen aber noch keine Mäuse, sondern brauchen leichtere Beute, vor allem kleine Eidechsen und „Hüpferlinge“, also kleine Frösche. Auch deren Bestände gehen jedoch zurück, ein weiterer Grund, warum es immer weniger Kreuzottern gibt. Junge Kreuzottern sind zwar schon giftig, werden aber oft selbst gefressen – von größeren Vögeln oder Igeln.
Schließlich seien die Schlangen am Anfang nicht viel größer als ein längerer Regenwurm, sagt Schmidberger vom LBV. Auch er hat einen Überblick über die Kreuzotter-Bestände der Region. Er bestätigt ebenfalls, dass man in der Oberpfalz noch einzelne Populationen in den Kiefernwäldern bei Roding finde. Ebenso im Gebiet zwischen Tiefenbach und Schönsee. Auch im geschützten Arracher Moor im Landkreis Cham gibt es die Tiere noch. Aber es handele sich um kleine Populationen, keinesfalls um Massenvorkommen: „Mittlerweile ist die Kreuzotter so selten geworden, dass es wie ein Sechser im Lotto ist, eine zu sehen“, sagt Schmidberger.
Schlangen flüchten meist vor Menschen
Es ist also eine Seltenheit, draußen in der Natur tatsächlich eine zu sehen. „Selbst auf Bergwiesen, von denen ich weiß, dass hier Kreuzottern leben, muss ich sie erst einmal suchen“, erzählt der LBV-Experte. Die Tiere verstecken sich in der Regel, bevor man sie entdeckt. Etwas länger bleiben meistens nur trächtige Weibchen liegen, hat Schmidberger beobachtet. Auch Kreuzotter-Experte Hien sagt, dass die Schlangen in der Regel flüchten, bevor ein Mensch naht.
Wer in Gebieten wandert, wo Kreuzottern leben, sollte aber darauf achten, wo er hintritt und außerdem lange Hosen und geschlossene Wanderschuhe tragen. Das gilt aber nicht nur für den Bayerischen Wald. „Ich wundere mich immer, wenn zum Beispiel in der Pupplinger Au in Oberbayern Leute barfuß über Heideflächen oder Wiesen laufen“, sagt Hien. Denn auch dort leben noch Kreuzottern. Wer Angst hat, zum Beispiel beim Beerenpflücken auf eine Schlange zu treffen, sollte vorher mit einem langen Stock in den Büschen hin und her rascheln, empfiehlt er. Dann flüchten die Tiere.