Bundesweit scheint die Stimmung im Handwerk auf dem Nullpunkt angekommen zu sein. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, sprach kürzlich in einem Interview [externer Link] von vielen Wutanrufen seiner Mitglieder. Ganz so drastisch scheint die Lage im Bayerischen Handwerk [externer Link] nicht zu sein. Der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags (BHT), Frank Hüpers, sagte im Gespräch mit BR24, vereinzelt möge es schon Wut geben, aber pauschal könne er davon nicht berichten.
Ernüchterung wegen Stromsteuer
Trotzdem herrscht auch in den bayerischen Betrieben vielfach zumindest Unzufriedenheit und Frust – vor allem, weil Versprechungen, die im Koalitionsvertrag gemacht worden waren, so nicht wirklich umgesetzt werden. Viel Porzellan hat die Bundesregierung damit zerschlagen, dass sie die Stromsteuer nur für große Industriekonzerne senkt, nicht aber für kleine Betriebe – und übrigens auch nicht für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Kleinbäcker gegenüber Backindustrie benachteiligt
Laut Frank Hüpers könnten gerade energieintensive Handwerksbetriebe eine Entlastung bei den Stromkosten gut gebrauchen. Die Bundesregierung argumentiert aber, dass die Stromsteuer nur für Industriebetriebe gesenkt werden muss, damit die im internationalen Wettbewerb bestehen kann. „Dabei wird allerdings verkannt, dass wir ja auch Wettbewerbsverhältnisse zwischen der Großindustrie und unseren Betrieben haben“, sagt Hüpers. Durch die einseitige Steuersenkung würden nun zum Beispiel handwerkliche Bäcker gegenüber großen Backkonzernen benachteiligt. Wobei es die Kleinbäcker auch jetzt schon nicht leicht haben gegen die Großen.
Über die Rente mit 70 oder 75 sprechen
Als großes Problem sieht man beim Bayerischen Handwerkstag die problematische Lage in den Sozialsystemen: sei es Rente, Arbeitslosenversicherung oder Krankenkassen. Was aus Wirtschaftssicht gar nicht gehe, sei die Beiträge weiter anzuheben, womit auch die Lohnnebenkosten wieder steigen würden. Frank Hüpers fordert, dass die Politik ehrlich über Leistungskürzungen spricht. Dazu könnte auch zählen, dass sich die Rente deutlich nach hinten verschiebt, auf 70 oder auch 75 Jahre. Wobei der Verbandsmann gleich seine Handwerker in Schutz nimmt. „Weil ja diese Berufe auch üblicherweise deutlich früher begonnen werden, als akademische, könnte man natürlich da auch an eine unterschiedliche Behandlung denken.“
Driftet das Handwerk Richtung AfD?
Der deutsche Handwerksboss Jörg Dittrich wurde zuletzt gefragt, ob wegen der Unzufriedenheit mehr Handwerker nun die AfD wählen würden. Seine Antwort: „Das Handwerk ist eine große gesellschaftliche Gruppe. Und wenn die Anteile für die AfD wachsen, dann wird das im Handwerk auch so sein.“ Ganz ähnlich klingt es beim Bayerischen Handwerk. Frank Hüpers: „Sicherlich wird es diese Neigung bei einigen geben. Man hört es gelegentlich, aber wir haben da kein belastbares Zahlen- und Datenmaterial.“