Die Ausgaben der Krankenkassen sind im ersten Halbjahr auf 174 Milliarden Euro gestiegen – ein Anstieg von knapp acht Prozent, meldet der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). „Die gesetzlichen Krankenkassen stehen massiv unter Druck“, betont Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) am Freitag.
Steigende Ausgaben, steigende Beiträge?
Sollten die Ausgaben in diesem Tempo auch künftig zulegen, drohen die Krankenkassenbeiträge – selbst mit Finanzspritzen des Bundes – weiter anzusteigen. „Ohne tiefgreifende Reformen kann sich das System nicht mehr selber finanzieren“, so die Ministerin.
In den vergangenen Jahren mussten die Betragszahler schon immer tiefer in die Tasche greifen, um das Gesundheitswesen zu finanzieren. Zuletzt wurde der Zusatzbeitrag erhöht, um Mehrkosten auszugleichen. Durchschnittlich liegt er bei 2,9 Prozent. Der Zusatzbeitrag variiert je nach Krankenkasse. Der allgemeine Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung beträgt 14,6 Prozent – zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert.
Ministerin Warken setzt auf Expertenkommission
Ein kurzfristiger Versuch der Bundesregierung, die Beiträge zu stabilisieren, sind Darlehen an die Krankenkassen. 2025 und 2026 will der Bund damit „nötige Beitragssatzanhebungen abfedern“, betont Warken. Damit in Zukunft die Beiträge nicht weiter ansteigen, wird die CDU-Politikerin diesen Monat eine Expertenkommission einberufen, die für 2027 Vorschläge erarbeiten soll, wie die Beiträge langfristig stabilisiert werden können.
Erste Ergebnisse sollen schon im Frühjahr präsentiert werden. „Ziel ist: Die beinah zur Routine gewordene Beitragssteigerung zum Jahreswechsel muss durchbrochen werden“, sagt Warken.
Scharfe Kritik von den Grünen
„Eine große Peinlichkeit“ nennt Paula Piechotta, Grünen-Bundestagabgeordnete und stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss, den Auftritt der Ministerin. Konkrete Lösungsvorschläge seien in der Pressekonferenz nicht präsentiert worden. Eine kurzfristige Kostenbegrenzung durch Haushaltsgelder hält Piechotta für unrealistisch – und fordert stattdessen einen klaren „Ausgabenstopp“ in der Kranken- und Pflegeversicherung bis zum Abschluss der Krankenhausreform. „Das kann Politik machen und das ist jetzt schlicht und ergreifend gerechtfertigt.“
SPD drängt auf Bürgerversicherung
Ein Vorschlag von SPD, Grünen und der Linken ist das Konzept einer „solidarisch finanzierten Bürgerversicherung“. Damit sollen alle Einkommensarten und Berufsgruppen – auch Politiker und Beamte – verpflichtend in die gesetzliche Krankenkasse einzahlen. In anderen europäischen Ländern wie Tschechien oder Österreich ist ein ähnliches System bereits etabliert. „Dadurch können Gerechtigkeitslücken geschlossen werden“, so Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gegenüber BR24. Die Union lehnt eine Bürgerversicherung jedoch ab.
Bis sich eine politische Mehrheit zur Umstrukturierung des Gesundheitssystems findet, schlägt die SPD eine höhere Beitragsbemessungsgrenze vor. Die Beitragsbemessungsgrenze bestimmt, bis zu welchem Einkommen Krankenkassenbeiträge berechnet werden. Verdient jemand mehr als derzeit 5.512 Euro monatlich, werden Beiträge nur bis zu dieser Grenze fällig – höhere Einkommen bleiben beitragsfrei.
Reformpaket statt Einzelmaßnahmen gefordert
Konkret fordert Christos Pantazis eine deutliche Anhebung der Grenze um rund 2.500 Euro – also auf das Niveau der Bemessungsgrenze bei der Rentenversicherung. Damit würden „Gutverdiener“ mehr in die gesetzliche Krankenkasse einzahlen.
Grundsätzlich gelte aber: „Keine Einzelmaßnahme kann die große Strukturreform ersetzen“, so Pantazis. Es brauche ein ganzes Paket an Maßnahmen, um die Finanzierung der Krankenkassen zukunftssicher zu machen. Bis eine grundlegende Reform kommt, drängt er auf belastbare Zwischenschritte, die sofort greifen.