Beim Autogipfel in Brüssel ist die EU auf die Branche zugegangen, musste sich aber dennoch Kritik anhören. Die Überprüfung des Verbrenner-Aus ab 2035 werde „so bald wie möglich durchgeführt“, teilte ein Sprecher von EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné am Freitag nach dem Treffen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Vertretern der Autoindustrie mit. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) begrüßte die Ankündigung, warf der EU aber Unentschlossenheit vor.
Brüssel will bis 2050 klimaneutral werden
Ab 2035 sollen in der EU keine mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Pkw mehr zugelassen werden, das wurde 2022 beschlossen. Bisher war eine Überprüfung des Verbots für kommendes Jahr vorgesehen. Der Kommission zufolge würde diese Prüfung nun also noch vor Ende des laufenden Jahres vorgenommen. Die Branche hatte auf einen beschleunigten Zeitplan gedrängt. Autobauer und Zulieferer hoffen auf Lockerungen bei den Vorgaben.
Von der Leyen erklärte nach dem Treffen am Freitagvormittag im Onlinedienst X, sie habe „die Bedenken der Industrie gehört“. Angesichts des „technologischen Wandels im Mobilitätsbereich und der geopolitischen Umwälzungen“, könne es kein „Weiter so“ geben. „Wir werden Dekarbonisierung und Technologie-Offenheit miteinander verbinden.“
Verband der Automobilindustrie will Klarheit
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, warf der EU nach dem Gipfel in Brüssel vor, „zu unentschlossen und zu wenig strategisch“ zu agieren. Die Unternehmen hätten bei den Treffen erneut dargelegt, dass „eine starke CO₂-Regulierung“ die „Wettbewerbsfähigkeit und damit die Transformation der gesamten Industrie“ gefährde, erklärte Müller. Die EU könne sich „weiteres Zögern und Zaudern“ nicht leisten. Beim nächsten Treffen im Dezember müsse „Klarheit geschaffen werden“, forderte die VDA-Präsidentin. „Wir brauchen einen Abgleich der Ziele mit den Realitäten.“
Der Volkswagen-Konzern versicherte nach dem Treffen, zu den europäischen CO₂-Zielen zu stehen, forderte dafür aber „mehr Zeit und Flexibilität“. VW sprach sich zudem für Übergangsregelungen, „Sonderlösungen für Kleinserien“ sowie die Prüfung von CO₂-freien Kraftstoffen aus.
Das Treffen war der dritte sogenannte Strategische Dialog, den die EU im Januar ins Leben gerufen hatte, um der Branche mit 13 Millionen Beschäftigten zu helfen. Bereits beim ersten Treffen im Januar hatte die EU-Kommission Zugeständnisse beim Zeitplan zum Erreichen des Verbrenner-Aus bis 2035 gemacht. Die Unternehmen forderten jedoch tiefgreifendere Anpassungen.
Autobranche uneins über richtigen Weg
Doch auch innerhalb der Autobranche gehen die Meinungen über den richtigen Weg auseinander. Audi-Chef Gernot Döllner nannte in der „Wirtschaftswoche“ die Debatte um den Erhalt des Verbrenners „kontraproduktiv“. Dies würde lediglich die Kunden verunsichern. „Auch abgesehen vom Klimaschutz ist das Elektroauto einfach die bessere Technologie.“
Mercedes-Chef Ola Källenius, der auch Präsident des europäischen Autoindustrieverbands Acea ist, hatte am Wochenende hingegen mehr Flexibilität bei der Frage der Antriebstechnik gefordert. „Hybride und effiziente Hightech-Verbrenner sollten Teil des Wegs bleiben, sonst riskieren wir Akzeptanz und Arbeitsplätze“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Dies vertritt auch die IG Metall; sie hatte am Donnerstag gemeinsam mit dem VDA erklärt, dass die Bedingungen für eine Umstellung auf 100 Prozent rein batterieelektrische Fahrzeuge auf dem europäischen Markt für neue Fahrzeuge in mittlerweile nur noch neun Jahren „nicht gegeben sein werden“. Nötig sei daher, bei den EU-Regeln zum geplanten Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren „Anpassungen“ vorzunehmen.
Auch Bundesregierung gespalten
Auch in der Bundesregierung hält der Streit an. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jakob Blankenburg, sagte dem Portal The Pioneer: „Wir halten am Verbrenner-Aus 2035 fest.“ Der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke sagte dem Portal: „Unsere Interpretation von Technologie-Offenheit ist so, dass wir das Verbrennerverbot revidieren.“
Mit Informationen von AFP