Skandale und „Bad Boy“-Image
„Taxi Driver“ oder „Die letzte Versuchung Christi“ waren in den USA Filmskandale, hatten Folgen bis weit über die Kinoleinwand hinaus. Scorsese, „der Antichrist“, bekam Morddrohungen, ein Kino wurde angezündet und Attentäter John Hinckley, der US-Präsident Ronald Reagan ermorden wollte, nannte Taxidriver Travis Bickle als Vorbild.
Damals litt Scorsese unter dem „Bad Boy“-Image, rutschte zeitweise in die Drogensucht ab, wäre im Krankenhaus fast an einer Blutvergiftung gestorben und tobte immer wieder am Set, wo er seinen „Boys Club“ um sich versammelte.
Heute kokettiert er damit, stilisiert sich zum Hollywood-Außenseiter. Dabei ist er sichtlich froh, dass er 2007 nach sieben erfolglosen Nominierungen doch noch den Oscar erhielt: für „The Departed“.
Fünf Stunden Doku selbst erzählt
Scorseses Leben bietet locker Stoff für fünf unterhaltsame Stunden Film. Die Doku schafft es dabei, hervorragend Biografisches mit Kino- und Zeitgeschichtlichem zu verbinden. Zahlreiche Weggefährten – de Niro, di Caprio, Spielberg, Ex-Frauen, Töchter und Kindheitsfreunde – kommen zu Wort. Die Abgründe und dunkeln Seiten seiner Person will Scorsese gerade nicht verstecken. Deswegen funktioniert es auch, dass er die Doku größtenteils selbst erzählt. Er war lange kein guter Vater, kein guter Ehemann, sondern ein Getriebener und Egomane, der alles seinen Filmen unterordnete.
Keine Frage, wir Zuschauer müssen ihm dafür dankbar sein. Und nicht zuletzt er selbst macht heute mit 82 Jahren den Eindruck, als sei er mit sich im Reinen und milder geworden. Ja, der Underdog hat es allen bewiesen.
„Mr. Scorsese“ ist ab sofort auf Apple TV+ abrufbar.

