Der Montagmorgen begann für viele Nutzerinnen und Nutzer mit einem Rätsel. Signal ließ sich nicht öffnen und auch Snapchat war nicht erreichbar. Was nach vereinzelten Problemen aussah, entpuppte sich schnell als globales Phänomen: Amazon Web Services, kurz AWS, hatte eine massive Störung – und mit ihr brachen Dutzende von Diensten gleichzeitig zusammen.
Ein digitaler Domino-Effekt
Was genau war passiert? Am Montagmorgen gegen 9 Uhr deutscher Zeit meldete AWS erhöhte Fehlerraten in Nord-Virginia. Das Problem: Das sogenannte DNS funktionierte nicht mehr richtig. DNS ist so etwas wie das Adressbuch des Internets – es sorgt dafür, dass Programme und Webseiten wissen, wohin sie ihre Daten schicken müssen. Die Folge war eine Kettenreaktion: Systeme konnten keine Daten mehr abrufen, Anfragen liefen ins Leere – und viele Dienste auf der ganzen Welt fielen gleichzeitig aus.
Die Liste der betroffenen Plattformen war lang: Canva, Signal, Snapchat, Roblox und die KI-Suchmaschine Perplexity. In Europa und den USA meldeten Nutzerinnen und Nutzer Störungen bei Dutzenden Apps. Erst gegen Mittag gab Amazon Entwarnung: Das zugrunde liegende DNS-Problem sei vollständig mitigiert, hieß es in einer Stellungnahme. Punktuell blieben jedoch Nachwirkungen, etwa beim Start neuer Server-Instanzen.
Die unsichtbare Infrastruktur
Für viele war die Störung ein Moment, in dem plötzlich sichtbar wurde, was normalerweise im Hintergrund läuft. AWS ist im Grunde das digitale Rückgrat vieler Internetdienste – ein Konglomerat von Rechenzentren, die für andere Firmen Daten speichern, Webseiten betreiben und Apps am Laufen halten. Fast jedes größere Unternehmen nutzt heute eine Cloud-Plattform: vom Streaming-Anbieter über Banken bis hin zu KI-Firmen.
AWS ist dabei eine von drei großen Cloud-Plattformen, neben Microsoft Azure und Google Cloud. Diese „großen Drei“ kontrollieren zusammen rund 63 Prozent des weltweiten Cloud-Markts. Die Cloud ist heute das Rückgrat der digitalen Wirtschaft. Wenn also einer dieser drei Anbieter Probleme hat, spürt das die ganze Welt – von Nutzerinnen und Nutzern bis zu globalen Konzernen.
Besonders bemerkenswert: Obwohl das Problem in einem Rechenzentrum in Virginia auftrat, waren weltweit Dienste betroffen – auch in Deutschland. Das liegt an der Art, wie moderne Cloud-Infrastruktur aufgebaut ist. AWS teilt die Welt zwar in verschiedene Regionen ein, etwa Frankfurt oder Nord-Virginia. Doch viele zentrale Steuer-Dienste hängen operativ trotzdem an bestimmten US-Standorten – selbst wenn die eigentlichen Daten in Europa liegen.
Das Herz von Amazon schlägt in der Cloud
Für Amazon selbst war die Störung auch eine unfreiwillige Erinnerung daran, wie wichtig AWS für den Konzern geworden ist. Verbraucher nehmen Amazon meistens als riesiges Online-Kaufhaus wahr – hier bestellt man neue Duschköpfe, USB-Kabel oder Katzenfutter. Aber das eigentliche Herz des Konzerns schlägt längst woanders: in den Rechenzentren von Amazon Web Services.
Diese Cloud-Sparte bringt mehr als die Hälfte des operativen Gewinns ein – deutlich mehr als das klassische Versandgeschäft. Im zweiten Quartal 2025 wuchs AWS zwar noch um rund 17,5 Prozent, aber langsamer als erhofft. Der Markt ist umkämpft, das Wachstum flacht ab, und an der Börse stagniert die Aktie seit Monaten. Für Amazon bedeutet das: Die Zukunft des ganzen Konzerns hängt an einer Infrastruktur, die kaum jemand sieht, aber ohne die heute fast nichts mehr läuft.

