Waldram heißt heute der kleine Ortsteil von Wolfratshausen, der bis 1957 den Namen „Föhrenwald“ trug. Die Nationalsozialisten hatten dort ursprünglich ein Arbeitslager errichtet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Föhrenwald jüdische Holocaust-Überlebende untergebracht, sogenannte „Displaced Persons“ (DP).
Lange Zeit geriet die Geschichte dieses besonderen Ortes in Vergessenheit. Am vergangenen Sonntag wurde anlässlich der Gründung des Displaced-Persons-Lagers vor 80 Jahren daran erinnert. Zum Festakt reisten auch zahlreiche Zeitzeugen an.
Föhrenwald: Größtes Auffanglager für Holocaustüberlebende
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das DP-Lager Föhrenwald ein Ort voller Kinder. Eines von ihnen war Schimon Ajnwojner: „Es gab hier einen Kindergarten, eine Religionsschule, in die bin ich mit drei Jahren gegangen. Es gab hier eine Dorfschule. Es war eine schöne Zeit für uns Kinder. Für unsere Eltern war es eine schwierige Zeit.“
Denn die Eltern der jüdischen Kinder von Föhrenwald waren allesamt Holocaust-Überlebende: Ehemalige KZ-Insassen, Getto-Bewohner, Partisanen oder Menschen, die den deutschen Vernichtungsfeldzug im Untergrund überlebt hatten und nach dem Krieg heimatlos waren. Die Amerikaner richteten solche DP-Lager ein, und Föhrenwald wurde in der Nachkriegszeit zum größten Auffanglager für Holocaust-Überlebende in Europa.
Jüdische Gemeinden in Osteuropa ausgelöscht
Die US-amerikanische Besatzungsmacht gründete in ganz Oberbayern Dutzende Lager und Wohngemeinschaften, DP-Lager, für die Überlebenden – etwa in Eichstätt, Mittenwald, Holzhausen bei Landsberg und in Ainring im Berchtesgadener Land. Denn nach der Befreiung 1945 wussten viele von ihnen nicht wohin. Die jüdischen Gemeinschaften im Baltikum, Weißrussland, der Ukraine, Polen oder Ungarn waren fast komplett ausgelöscht, auch die Familien der Überlebenden waren zum großen Teil von den Deutschen getötet worden.
Doch die DP-Lager wurden aber auch zu einem Ort der Wiedergeburt jüdischen Lebens. Allein in Föhrenwald wurden rund 700 Kinder geboren unter ihnen auch Shoshana Bellen, die heute in Israel lebt. „Jeder von uns wurde nach einem verstorbenen Verwandten benannt. So wurden wir alle zu Gedenkkerzen für unsere Eltern“, berichtet Shoshana Bellen. „Ich wurde nach der Mutter meines Vaters benannt.“
„Displaced Persons“ warteten auf Ausreise
Eigentlich wollten die Bewohner von Föhrenwald Deutschland und Europa so schnell wie möglich verlassen. Doch Ausreise-Visa waren schwer zu bekommen und der Staat Israel war noch nicht gegründet. Deshalb mussten sich viele „im Land der Täter“ für mehrere Jahre einrichten. In dieser Zeit entstanden in Föhrenwald Schulen, Synagogen, Theater, Sportvereine.
Nach der Gründung Israels 1948 wanderten die meisten Föhrenwalder dorthin aus. Die letzten jüdischen Bewohner verließen das Lager 1957. Damit war Föhrenwald das am längsten existierende jüdische Displaced-Persons-Camp in Europa.
Mitte der 50er: Kirche siedelt Heimatvertriebene an
In den 50er Jahren wollte die bayerische Staatsregierung eine neue Lösung für das Gelände. Die katholische Kirche kaufte das Areal und siedelte hier gezielt katholische Heimatvertriebene an. Das Tragische an der Geschichte: Jüdische Familien, die sich in den Jahren nach dem Krieg wieder eine Existenz aufgebaut hatten, mussten wiederum weichen, die meisten wanderten nach Israel aus.
Damals wurde Föhrenwald in „Waldram“ umbenannt. Über die Geschichte des DP-Lagers wurde lange geschwiegen. Heute erinnert ein kleines Museum im ehemaligen Badehaus des Lagers an dieses bewegende Kapitel der deutsch-jüdischen Geschichte. „Ich finde es toll hier in Föhrenwald, was eine Privatinitiative wie das Badehaus auf die Beine gestellt hat, ist ja sensationell. Ich kann nur sagen: Hut ab vor so einer Leistung“, zeigt sich Schimon Ajnwojner begeistert.
Badehaus erzählt Geschichte der Wiedergeburt
Beim Festakt zum 80. Jahrestag der Lagergründung versprach Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (FW), dass der Freistaat den Erinnerungsort Badehaus langfristig finanziell unterstützen werde. Zur Freude von Zeitzeugen wie Shoshana Bellen. „Es ist der einzige Ort in Deutschland, an dem nicht die Geschichte des grausamen Holocausts erzählt wird, sondern die Geschichte der Wiedergeburt, der Entscheidung für das Leben. Deshalb ist das Badehaus so wichtig“, sagt Bellen.

