Laut Bundesnetzagentur soll bis 2032 in Deutschland ein rund 9.000 Kilometer langes Wasserstoffkernnetz gebaut werden. Die Kosten für die Pipeline sollen sich auf knapp 19 Milliarden Euro belaufen. Das Netz ist Teil der nationalen Wasserstoffstrategie und soll die Standorte, an denen Wasserstoff erzeugt, gespeichert und verbraucht wird, verbinden. Damit kann der Transport von Wasserstoff quer durch das Land möglich werden, sagt Carsten Agert, Leiter des Instituts für Vernetzte Energiesysteme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Netz fließen soll grüner Wasserstoff, der mithilfe von erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft hergestellt wird und so klimafreundlicher ist als herkömmlicher Wasserstoff. Genutzt werden kann er beispielsweise in der Stahl- und Chemieindustrie.
Zukunft mit grünem Wasserstoff: Umbau vom Gas- zum Wasserstoffnetz
Den Beginn der Bauphase sieht man derzeit in Lubmin an der Ostseeküste. Hier arbeitet der Fernleitungsnetzbetreiber Gascade derzeit daran, das Gasnetz für den Transport von Wasserstoff umzurüsten. Geplant ist, dass die Pipeline in einem ersten Schritt bis nach Bobbau in Sachsen-Anhalt umgerüstet wird, auf einer Länge von 400 Kilometern. Später soll das Netz bis nach Stuttgart und Ludwigshafen reichen und in die großen Industriezentren in Berlin und im Ruhrgebiet. Doch die Umrüstung bringt einige technische Herausforderungen mit sich, sagt Carsten Agert.
Zum Transport von Wasserstoff: 60 Prozent des bestehenden Erdgasnetzes nutzbar
Damit das Wasserstoffkernnetz bis 2032 stehen kann, müssen etliche bestehende Erdgasleitungen umgerüstet werden. Wasserstoffmoleküle sind kleiner als Methanmoleküle, deswegen ist es schwerer, die Rohre abzudichten. Wasserstoff besitzt auch noch andere Eigenschaften, die sich zum Beispiel auf das Korrosionsverhalten von Stahlrohren auswirken, erklärt Agert. Es müssen also neben Ventilen oder Verdichtern auch solche Aspekte beachtet werden. Rund 60 Prozent des bestehenden Erdgasnetzes könnten für den Transport von reinem Wasserstoff genutzt werden. Der Rest muss neu gebaut werden, sagt Carsten Agert.
Wasserstoff: Speicherlösungen für Überkapazitäten benötigt
Es braucht aber nicht nur ein Transportnetz, sondern auch Speichermöglichkeiten, beispielsweise um Überkapazitäten zu lagern. Das DLR forschte dazu an Salzkavernen – unterirdischen Hohlräumen, die besonders dicht sind, und in denen Wasserstoff sicher gelagert werden kann (externer Link).
Dazu hat das DLR zusammen mit einem Energieunternehmen eine Testkaverne bei Rüdersdorf in Berlin gebaut. Das Ergebnis ist positiv, der Reinheitsgrad des gespeicherten Wasserstoffs ist beim Wiederverwenden hoch, daher ist er zum Beispiel für den Einsatz im Mobilitätsbereich geeignet.
Große Mengen an Wasserstoff unterirdisch in Salzkavernen lagern
Laut Carsten Agert wird Deutschland in Zukunft etwa 500 Terrawattstunden pro Jahr brauchen. Es gebe verschiedene Szenarien, die sich unterscheiden. Fakt sei, dass man schon heute Kavernen habe, in denen man etwa 50 Terrawattstunden speichern könne. Langfristig brauche man vermutlich noch mehr, als heute zur Verfügung stehen. Deutschland ist laut Agert aber schon gut aufgestellt. Ähnlich argumentiert Professor Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg: Große Mengen an Wasserstoff seien nur unterirdisch lagerbar. Einige Salzkavernen, die bisher für Erdgas genutzt werden, würden sich dafür auch eignen.
Nachfrage nach Wasserstoff derzeit gering
Insgesamt sieht Michael Sterner, der auch Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat ist, ein großes Problem: Aktuell sei der Markt so, dass die Nachfrage nach Wasserstoff gering sei. Die Industrie stecke in Schwierigkeiten, Preise stiegen in vielen Bereichen, und Wasserstoff sei bisher für viele Unternehmen nicht rentabel. Ein „Henne-Ei-Problem“, nennt es Sterner. Er rechnet mit fünf bis zehn Milliarden Euro pro Jahr an Förderung, die es weiter brauche, damit der Markt „zum Fliegen“ kommt und die Transformation vollzogen werden kann. Das höre sich im ersten Moment viel an, wenn man aber bedenke, dass Deutschland derzeit fünf Prozent des BIP für Verteidigung ausgebe, etwa 220 Milliarden, dann sei die Summe wieder überschaubar.
Wasserstoff-Importe bleiben wichtig
Etwa 30 Prozent des Bedarfs an grünem Wasserstoff kann Deutschland selbst produzieren, die anderen 70 Prozent müssen importiert werden. Deshalb soll das Wasserstoffkernnetz auch mit anderen Ländern verbunden werden. „Insgesamt bringt grüner Wasserstoff aber die Möglichkeit, sich im Energiebereich unabhängiger zu machen von anderen Staaten, die Öl und Gas liefern“, sagt Michael Sterner. „In Zeiten von Krisen und Kriegen ist das ein wichtiger Aspekt, den man bei den nötigen Förderungen im Hinterkopf behalten sollte.“

