„Normalerweise würden wir jetzt mit dem Vaterunser anfangen!“ Das Flugzeug, in dem Tom Sittenauer sitzt, rast direkt auf ein Bergmassiv zu. Im letzten Moment zieht der Pilot nach oben, vollführt im Überflug noch eine elegantes Rollmanöver. „Wie bei Top Gun!“, sagt der professionelle Fluglehrer, der den fünf Millionen Euro teuren Flugsimulator des Museums betreut. Besucher können hier immersiv erleben, wie man sich am Steuer eines Flugzeugs fühlt. Sittenauer flog zum Ende seiner Pilotenlaufbahn große Boeing-Maschinen auf der Langstrecke und tauschte schließlich das anstrengende Reisen gegen den Museumsjob.
Wissenschaft zum Anfassen und Erleben
Auch Anna Lena Kämper ist Teil des Teams, sie steht in einem Hörsaal und gibt gerade eine Science-Show. Gespannt blickt das Publikum aus Kindern und Erwachsenen auf die metallene Schüssel in ihrer Hand, aus der plötzlich dichter, weißer Nebel quillt. Ein Stickstoff-Experiment zum Staunen.
Sehr gut kommt bei Kindern auch der kleine Roboterhund an, den Kämper fernsteuert und kleinere Tricks aufführen lässt: Pfote geben, Winken, alles kein Problem. Inzwischen sage sie dem kleinen Hund am Abend schon mal gute Nacht, sagt Kämper lachend, so lebensecht wirkt die vierbeinige Drohne. Museumspädagogik durch begeisterte Vermittler – das ist neben seinen spektakulären Ausstellungsobjekten der zweite große Erfolgsfaktor des Deutschen Museums.
Startpunkt von Nobelpreiskarrieren
In leuchtenden Kinderaugen hat hier schon so manche Wissenschaftskarriere ihren Anfang genommen. „Ich war im Alter von fünf Jahren mit meinem Vater im Deutschen Museum, deshalb habe ich Chemie studiert“, solche Sätze hört Museumschef Wolfgang Heckl immer wieder, zuletzt von Benjamin List, der 2021 den Chemie-Nobelpreis erhielt.
Ein Tempel der Volksbildung zu sein, das ist schon seit 100 Jahren das Credo des Deutschen Museums – gegründet 1903 von Ingenieur, Visionär und Menschenfreund Oskar von Miller. Von ihm soll der Satz stammen: „Das Wohl der Menschheit zu fördern, ist der Sinn der Technik.“
Schulfrei zur Eröffnung im Jahr 1925
1925 bezog das Museum nach Jahren des hartnäckigen Spendensammelns durch von Miller seinen heutigen Standort auf einer Kiesbank in der Isar. 1.500 Betonpfähle wurden in den kiesigen Untergrund gerammt und ermöglichten überhaupt erst das Bauwerk, das so selbst Zeugnis höchster Ingenieurskunst sein sollte. Aber der Standort im Fluss war immer auch ein Risiko. Erst jetzt bekam das Museum im Zuge der laufenden Generalsanierung eine wasserdichte Betonwanne, die das Haus vor Grund- und Hochwasser schützen soll.
Zur Eröffnung am 7. Mai 1925 feierte München mit einem 1,4 Kilometer langen Festzug, Behörden hatten auf von Millers Drängen hin geschlossen, die Kinder schulfrei. 47.000 Bedürftige bekamen eine Mark geschenkt. Das reichte für zwei Eintritte ins neue Museum – oder eine Maß Bier auf dem Oktoberfest.
Größtes Technikmuseum der Welt
Der Elektrizitäts- und Wasserkraftpionier von Miller wäre heute sicher sehr zufrieden damit, wie Nachfolger wie Wolfgang Heckl seine Idee weiterführten und immer wieder aktualisierten. An insgesamt vier Standorten versammelt das Haus heute 125.000 Objekte, von denen etwa 25.000 laufend gezeigt werden. Das älteste ist das 3,7 Milliarden Jahre alte Mondgestein, das längste ein Foucaultsches Pendel mit 60 Meter langem Drahtseil, an dem eine 30 Kilogramm schwere Bleikugel hängt. In seinen Ausmaßen das größte ist das 100 Tonnen schwere Militär-U-Boot U1.
Bis 2028 soll Sanierung abgeschlossen sein
750 Millionen Euro wird die seit zehn Jahren laufende Generalsanierung insgesamt wohl kosten, rund 300 Millionen Euro mehr als zu Baubeginn geplant. Die entstandenen Mehrkosten teilen sich Bund und Freistaat Bayern. Bis 2028 soll die Sanierung abgeschlossen sein.
Eine der ältesten und berühmtesten Themenwelten seit Eröffnung 1925 war das Schau-Bergwerk mit seinen lebensgroßen Bergarbeiter-Figuren. Vor allem aus Brandschutzgründen ließen sich nun weite Teile nicht mehr erhalten. Beim Festakt zum 100-Jährigen versicherte der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume, dass es aber auch in Zukunft ein Bergwerk geben werde. Aus Kostengründen wird die virtuelle Realität dabei aber wohl ein immer größere Rolle spielen müssen.
Und so lautet das Zwischenfazit von Generaldirektor Heckl nach 100 Jahren denn auch: „So ein Museum ist eben nie fertig!“