Auf einmal ist da ein Absperrband vor dem Wald und ein Schild: Holz sammeln verboten. Bisher hatten die Kinder Karl und Rosa herumliegendes Holz immer aufsammeln und nach Hause bringen können. Die Eltern hatten damit im Winter ihr bescheidenes Bauernhaus geheizt. Das Absperrband und das Schild sind allerdings nur Vorboten von noch viel größeren Veränderungen auf der Insel Feudalia. Und sie haben tatsächlich etwas mit Karls Traum zu tun – mit diesem riesigen Wagen ohne Kutscher, der alles überrollt und dabei immer größer wird.
Die Anfangstage des Kapitalismus
„Die kleinen Holzdiebe und das Rätsel des Juggernaut“ spielt in den Anfangstagen des Kapitalismus – in denen die Jahrhunderte alte Welt des kleinbäuerlichen Lebens gerade erst abgelöst wird von der neuen Welt der Städte, Fabriken und Mietshäuser. Geschrieben haben es Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt, die zusammen den Wirtschaftspodcast „Wohlstand für alle“ machen und mit Kinder- und Jugendbüchern bisher nicht viel zu tun hatten.
Das Buch sei der Versuch, jungen Leuten etwas über Lohnarbeit und Kapitalismus beizubringen, erzählt Ole Nymoen, „und das klappt natürlich am besten, wenn man eine idealtypische Welt schafft, in der man dann wie in einem Experiment genau beobachten kann, was gehört eigentlich alles zu diesem Gesellschaftssystem dazu?“ Das könne man am besten tun, indem man sich eine fiktive Welt ausdenke, „in der man dann etwas, was historisch eigentlich Jahrhunderte dauert, rafft und als Geschichte weniger Monate erzählt.“
Kindlicher Blick auf unsere Gesellschaft
Viele meinen auch heute noch, der Kapitalismus habe sich gleichsam natürlich mit dem Fortschritt der Menschheit entwickelt. Bereits hier setzt das Buch an und zeigt am Beispiel des Sammelns von Holz, wie Politik und Justiz, Polizei und Militär tatkräftig die neue Ordnung durchsetzen. Der Gegensatz zwischen Arbeitern und Fabrikbesitzern wird thematisiert, Karl Marx‘ Konzeptionen von Mehrarbeit und Kapitalbesitz erklärt. Das klingt nach viel Theorie, ist aber verwoben in eine spannende Abenteuergeschichte und in einer für die angepeilten 10-jährigen Leser angemessenen Sprache erzählt. Was den Effekt hat, dass die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft selten klar zutage treten.
Gerade dieses naive Hinterfragen der Umstände, die einem jeden Tag präsentiert werden, sei etwas wahnsinnig schwieriges, so Ole Nymoen. „Wenn man sich auf diesen Standpunkt eines Kindes stellt und sagt: Irgendwas an dieser Welt ist doch verkehrt, dass die einen so viel haben und die anderen so wenig, dann wird man sofort in die Schranken gewiesen. Auf diese kindliche Art und Weise die Welt zu hinterfragen, ist etwas, was sich für viele überhaupt nicht gehört, und was dementsprechend alles andere als trivial ist.“