Es gibt eindeutig schönere Komplimente: „Ich wäre ja schon froh, wenn ihr in Berlin gar nichts macht“, seufzte Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Wirtschaft, während neben ihm Kulturstaatsminister Wolfram Weimer saß. Ironisch ausgedrückt: Vertreter der bayerischen Wirtschaft erwarten von der Bundesregierung eigentlich im besten Fall Nichtstun, denn alles, was sie bisher anpackte, scheint auf wenig Gegenliebe der Manager zu stoßen.
„Niemand wurde um Erlaubnis gefragt“
Das gilt auch für den Umgang mit der Künstlichen Intelligenz, besser bekannt als KI. Natürlich ist der gelernte Journalist und Verleger Wolfram Weimer alles andere als begeistert von intelligenten Suchmaschinen, die sich kostenlos beim geballten Weltwissen bedienen: „Es ist so, dass große amerikanische und auch zunehmend chinesische Tech-Konzerne mit ihren KI-Modulen im Grunde genommen einen globalen Raubzug vollzogen haben, aller Inhalte von der Literatur bis zur Musik, von Bildern bis zu Bewegtbildern. Aber es wurde eigentlich fast niemand danach gefragt, ob er seine Erlaubnis dazu gibt.“
In Deutschland gebe es zwar viele Befürchtungen, was die KI betreffe, so Weimer. Andererseits habe er jedoch den Eindruck, dass es hierzulande auch einen damit verbundenen kreativen Aufbruch gebe. Als Beispiel nannte er neue Filmstudios auf einem ehemaligen Fliegerhorst in Penzing bei Landsberg, wo mit KI-Hilfe große Hollywood-Produktionen realisiert worden seien. Und der Chef des Disney-Konzerns habe ihm kürzlich in Aussicht gestellt, dass in sieben Jahren Blockbuster, also publikumswirksame Großproduktionen, ganz ohne Schauspieler entstehen könnten.
„Pleitewelle der freien Medien“
Vieles scheint also denkbar, aber die Urheberrechte könnten dabei nicht nur ausgehöhlt, sondern ausradiert werden: „Aus meiner Sicht erodieren damit auch demokratische Ordnungsfunktionen, weil diese freie Welt der Medien, der bunten Medien, die wir haben, auch mit ihrer politischen Vielfalt und den Meinungen, dass die natürlich erodiert, wenn wir zu großen Plattform-Monopolen kommen, die auch das ganze Werbegeschäft akkumulieren, und wir dann im Grunde genommen vor einer Pleitewelle der freien Medien stehen und damit eine völlig veränderte demokratische Basis haben“, so Weimer.
Die Rechtslage könne sinnvollerweise nur auf europäischer Ebene neu geregelt werden, betonte der Kulturstaatsminister, wobei es nicht nur um die Urheberrechte gehe, sondern auch um kartell- und steuerrechtliche Probleme, sowie um die offenkundigen Tendenzen zur Monopolbildung unter den großen Suchmaschinen-Anbietern: „Rechteinhaber müssen erkennen können, was in den Modulen steckt und wer Inhalte nutzt, der muss einfach dafür zahlen, skaliert und automatisch. Zweitens brauchen wir einen funktionierenden europäischen Lizenzmarkt. Das liegt nicht nur im Interesse der Urheber und der Rechteinhaber, sondern auch im Interesse der KI-Anbieter selbst, weil sie sich damit in einem sicheren Rechtsrahmen bewegen.“
„Quellen-Erschaffer müssen irgendwie partizipieren“
Immerhin, Wolfram Weimer tröstete sich und seine Zuhörer damit, dass nach der Erfindung der Fotografie die Maler ja auch weiterbeschäftigt worden seien, was nahelege, das durch KI neue kreative Freiräume entstünden: „Wenn du jetzt einen Overview bei Google hast und der ist zusammengesetzt aus einem Artikel der FAZ, der Süddeutschen und der Zeit, dann wüsste ich ganz gerne in einer Quellenfunktion, dass dem so ist. Und dann müssen natürlich die Quellen-Erschaffer, die Content-Hersteller, davon irgendwie partizipieren.“
Ein Wohlfühltermin war es für den sichtlich angefassten Wolfram Weimar ganz offenkundig nicht. Nicht nur wegen der betont niedrigen Erwartungen der Wirtschaft an die Bundesregierung, auch wegen der Negativschlagzeilen um angebliche Interessenkonflikte zwischen seinem politischen Amt als Kulturstaatsminister und seiner früheren Tätigkeit als Medienmanager. Auskunftsfreudig war Weimer dazu nicht, er verließ die Veranstaltung schnellen Schrittes, ja fast überstürzt. Zum Netzwerken in entspannter Runde war er offenbar nicht aufgelegt: „Der nächste Termin!“

