Als „Freiheitskämpfer“ will sich Wolfram Weimer nach eigenen Worten zwar nicht bezeichnen lassen, aber ein (umstrittener) „Freiheitsbotschafter“ ist er auf jeden Fall, und als solcher ließ er in seinen ersten 100 Tagen als Bundeskulturstaatsminister keine Gelegenheit aus, sich Gehör zu verschaffen.
„Kritik ist ganz normal“
Reizthemen geht er nicht aus dem Weg, ganz im Gegenteil. Die politische Kontroverse sucht er fast schon mit missionarischem Eifer: „Ich bin ein Freund der Freiheit. Kultur und Künste brauchen Freiheit, und da will ich in meinem kleinen Rahmen des Politischen dafür sorgen, dass das möglich ist“, sagt er im BR-Interview. Neulich schrieb ein Zeitungskommentator, Wolfram Weimer wolle den Kulturkampf nicht analysieren, sondern mitmachen. Womöglich ist das sein größtes Problem.
Als Journalist stürzte er sich mitten hinein ins Getümmel um Werte und Wahrheiten. Davon will er auch als Kulturstaatsminister (der als Beamter im Rang eines Staatssekretärs im Bundeskabinett übrigens kein Stimmrecht hat) nicht ganz lassen. Dafür wird er – nicht zuletzt wegen seiner Streitschrift „Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit“ von 2018 – teils heftig angegangen: „Schauen Sie, in meinem früheren Beruf habe ich so viel an der Politik rumkritisiert, dass es doch ganz normal ist, wenn ich auch selber kritisiert werde, seit ich in der aktiven Politik bin.“
„Treue, Wahrheitsliebe, Freiheitsgefühl“
Der studierte Germanist Weimer sieht sich als „wertkonservativ“, was er so erklärt: „Das heißt nicht, dass ich an den Dingen hänge, die immer schon so waren oder die gestern so waren, an bestimmten traditionellen Dingen, sondern ich hänge an den Dingen, die immer gelten. Also zum Beispiel Treue, Wahrheitsliebe, auch ein Freiheitsgefühl.“
Gegenwind scheint Weimer zu beflügeln. Seine persönliche Zwischenbilanz nach rund drei Monaten im neuen Amt: „Ich glaube, der Start dieser Regierung ist aus Sicht der breiten Bevölkerung ganz okay. Ist das eine Hurra-Stimmung, dass alle Leute sagen, wow, das war ein sensationeller Start? Nein, natürlich noch nicht.“
„Kulturkampf ist freiheitsfeindlich“
Das Banner der Freiheit schwenkt Weimer auch, wenn der Anlass eher grotesk erscheint. So störte sich die Gleichstellungsbeauftragte im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) in Berlin-Weißensee an einer Skulptur der nackten Venus Medici im Eingangsbereich der Behörde. Sie wurde leihweise dem Leipziger Grassi-Museum überlassen, weil sie als „sexistisch“ missverstanden werden könne.
„Wir haben in Europa auch von linker Seite Eingriffe in das Freiheitsgefühl“, so Wolfram Weimer. „Woke Kräfte“ hätten die Skulptur nicht „feministisch genug“ gefunden: „Daran sieht man, natürlich gibt es einen globalen Kulturkampf und der ist freiheitsfeindlich. Und deswegen müssen wir in Europa die Fackel der Aufklärung hochhalten, die Räume der Freiheit weiten, so wie wir das in unserer kulturellen Tradition gewohnt sind.“
„Staat sollte keine Demos finanzieren“
Weimer sorgte im Mai, kurz nach seinem Amtsantritt, für erhebliches Aufsehen, als er im Bundestag unter dem Beifall der AfD sagte: „Kultur ist keine Platzanweiserin der politischen Korrektheit. Sie ist keine NGO mit Orchester und Museum.“ Dieses vermeintliche Bashing von Nichtregierungsorganisationen fanden manche despektierlich.
„Ich bin der Meinung, dass der Staat sich da raushalten soll“, so Weimer gegenüber dem BR: „Bürgerschaftliches Engagement ist was Tolles, davon lebt die Demokratie. Aber der Staat sollte die nicht finanzieren. Das ist ein komisches Gebilde, was dann entsteht, übrigens, egal wie gut es gemeint ist und egal, in welche Richtung es geht. Und deswegen bin ich skeptisch, wenn der Staat anfängt, Demonstrationen zu finanzieren. Dann ist das ganze Prinzip der Demokratie auf den Kopf gestellt.“
Frühere Kulturstaatsminister versammelten im Kanzleramt gern prominente Kulturträger zum Meinungsaustausch, allen voran Michael Naumann und Julian Nida-Rümelin. Das brachte intellektuellen Glanz ins Regierungsviertel. Wolfram Weimer will daran anknüpfen: „Das steht fest auf meiner Agenda. Ich habe auch schon damit angefangen. Wir laden jetzt schon ganz systematisch Kulturgrößen ein. Das wird ein festes Format im Kanzleramt. Also: der Musenhof kehrt zurück.“