Ein Präsident, der am ersten Tag seiner Amtszeit in Eigenregie unzählige Dekrete unterzeichnet. Der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den roten Teppich ausrollt. Der sich im Weißen Haus einen rund 8.000 Quadratmeter großen Ballsaal errichten lassen will. Manchmal fühlt es sich skurril an, wenn man in die USA schaut.
Auch Kaiser Caligula hatte damals, im Antiken Rom, sichtlich Gefallen daran, willkürlich mit Befehlen um sich zu werfen. Eine autokratische Regierung war im Römischen Reich Realität – wird sie es auch heute wieder, 2025 in den USA? Das Theaterstück „Caligula“ auf der Bühne des Volkstheaters München weist erschreckende Parallelen zur Politik von US-Präsident Donald Trump auf. Eine Analyse zwischen Theater und Realität.
„Die politische Gewalt von heute passiert mehr im Kopf“
Es ist 37 nach Christus. Kaiser Caligula trauert um seine tote Schwester und gleichzeitig Geliebte. Als Ausweg beginnt er seine Macht vollkommen willkürlich einzusetzen und findet immer mehr Gefallen daran. Er stiehlt seinem Volk das Geld aus der Tasche, stellt sich mit den Göttern gleich und foltert seine Untertanen. So zumindest erzählt es die Überlieferung. Albert Camus orientiert sich in seinem gleichnamigen Theaterstück stark an Caligulas Biografie.
Doch brutale Gewalt wird auf der Bühne des Volkstheaters nicht direkt sichtbar. So will Regisseur Ran Chai Bar-zvi das Stück in die Gegenwart übersetzen: „Die politische Gewalt von heute ist verdeckt und passiert mehr im Kopf.“
America first – oder doch eher Trump first?
Wem kann man trauen? Und schafft man es, diesen Herrscher zu Vernunft zu bringen? Fragen, die man sich Menschen auch heute zu Trumps Politik stellen. „Ich regiere Amerika und die Welt“, betont der amerikanische Präsident gerne. Zwar sind die USA ein demokratisches Land und Foltermethoden wie in der Antike werden nicht mehr angewandt. Stattdessen: harte Einwanderungspolitik, Einschnitte bei der Bildung, Abschaffung von staatlichen Behörden – dazu noch Trumps umstrittene Zollpolitik und die eingeschränkte Pressefreiheit. America first, oder eher Trump first?
Regisseur Ran Chai Bar-zvi macht mit seiner Inszenierung geschickt die Parallelen sichtbar: Widerspruch prallt an Trump genauso ab wie an Caligula. Die Opposition verharrt in der Schockstarre über die Hirngespinste des Herrschers.
Mit viel Entertainment wird das Publikum verführt
Auf der Bühne passiert alles ganz schnell – genauso wie im echten Leben. Caligula bedankt sich bei seinem Volk, wirft Shirts mit „I love Roma“- Aufdruck ins Publikum und fordert die Zuschauer zum Mitsingen auf. Es funktioniert. Schon singt nahezu der ganze Saal „Angels“ von Robbie Williams und lässt sich von der Party-Stimmung mitreißen. Trotz fragwürdiger Show, in der Klimaaktivisten überfahren werden, israelische Sportler Olympia 1972 nicht überleben, Schildkröten an zu viel Plastik im Meer ersticken und zum Schluss der Kaiser auch noch fliegen lernen will – in die Twin Tower in New York am 9. September 2001. Tabus? Fehlanzeige.
Und wieder sind da die Parallelen: Die Amerikaner singen vielleicht keine Partylieder mit Trump. Aber seine Merchandise-Artikel kommen bei den Leuten gut an. Die „Make Amerika Great Again“-Cap ist auf vielen Köpfen zum politisches Statement geworden. Es zeigt, wie einfach sich die Gesellschaft verführen lässt. „Bei Caligula hat mich interessiert, wie sich die Diktatur durch die Heiterkeit bauen kann: indem man Spaß hat“, so Regisseur Bar-zvi.
Als Venus verkleidet, setzt Caligula dann zu seinem persönlichen Highlight an: in einer Space-X-Muschel lässt er sich ins Weltall katapultieren. Spätestens hier ist die Anlehnung an Trumps Politik und seinen ehemals engen Vertrauten Elon Musk deutlich zu spüren.
Caligula: Seine Einsicht kam zu spät
Nun aber noch zu den Unterschieden: Caligula hatte zu seiner Zeit deutlich mehr Befugnisse als ein amerikanischer Präsident heute. Dafür sorgen Verfassung und Gewaltenteilung. Glücklich wurde Caligula mit seiner tyrannischen Denkweise im Übrigen nicht. Seine Einsicht kam zu spät und so wurde er ermordet. Im Volkstheater München endet Caligula als Statue, die für immer an den römischen Herrscher erinnern soll. Ein künstlerisches Mahnmal. Wie weit Trump noch gehen könnte, kann keine Inszenierung prognostizieren.
Das Volkstheater München zeigt „Caligula“ am 11. Oktober und 6. November 2025. Weitere Termine folgen.