In der ARD-Mediathek ist eine neue Anthologie-Serie zu sehen, die in den Feuilletons bereits gefeiert wird. Das ist bei ihrem Regisseur kein allzu großes Wunder: Der vielfach ausgezeichnete Wiener Filmemacher David Schalko brachte im Ersten zuletzt die biografische Fernseh-Serie „Kafka“ heraus und präsentiert nun eine Serie von sechs Episoden unter dem Titel „Warum ich?“
Nehmen wir z.B. die Episode „Lebenskerze“ aus diesem Fernseh-Kleinod: Ein Polizist, verkörpert vom großartigen Robert Palfrader, verkündet an seinem 60. Geburtstag daheim am Esszimmertisch seinen beiden Kindern, dass er unheilbar an Alzheimer erkrankt sei und deshalb beschlossen habe, selbstbestimmt zu sterben. Es klingelt. Die Mutter öffnet. Auftritt: die Tante, gespielt von Katharina Thalbach. „Überraschung!“ Die Mutter ist erst mal erleichtert. Die Tante wird die Situation schon retten. Aber statt zu versuchen, den Vater umzustimmen, sagt die: „Es ist sein gutes Recht, seine freie Entscheidung. Das macht einen Menschen zum Menschen, sogar deinen Vater.“ Den Vater fragt sie: „Hast du dir schon überlegt, was du mit deiner so kostbaren Zeit anstellen willst?“ „Was soll ich schon groß damit anstellen? Dasselbe wie immer“, antwortet der. Und darauf die Tante: „Fernsehen ist auch eine Form von Sterbehilfe.“
Fernseh-Kritik im Fernsehen
Regisseur David Schalko lacht und sagt, wie es zu dem Spruch kam: „Das hat die Katharina Thalbach gesagt.“ Aber das Tolle sei ja dann, „dass solche Fernsehstücke, die vielleicht ungewöhnlicher sind, weil sie eben ein anderes Format bedienen, ja auch noch möglich sind und dass es diese Ebenen gibt, besonders in der Mediathek, wo das Experiment dann doch noch einen Platz hat.“
Komödie über eine wahnwitzige Realität: „Es gibt diese Welt“
David Schalkos wunderbar kurzweilige Anthologie-Serie „Warum ich?“ ist ein sehr gelungenes Experiment. Eine Reihe von sechs durchweg brillanten Mini-Grotesken. „Mir war’s wichtig, da eine Realität abzubilden, die als Realität auch existiert, auch wenn es eine wahnwitzige Realität ist“, erzählt Schalko. Und er fürchte, die Serie sei „naturalistischer“ als man denke: „Auch wenn es so als bizarre Komödie daherkommt, aber es gibt diese Welt“.
Der 52-jährige Österreicher, der gerade im Waldviertel die Fortsetzung seiner legendären Serie „Braunschlag“ dreht, zeigt in „Warum ich?“ eine verschwörungsgläubige Prepper-Familie, für die Vögel ferngesteuerte Drohnen sind, weshalb sie ihr Sohn, gespielt von Daniel Kehlmanns Sohn Oscar, mit dem Gewehr vom Himmel holt. „Cowboys“ wiederum erzählt von einem abgehalfterten Country-Sänger, der sich so wie einst Gunter Gabriel über Wasser hält, indem er mit seiner Gitarre in Westernkluft Wohnzimmerkonzerte bei den Leuten zu Hause gibt.
Genial verkörpert von Charly Hübner und Andrea Sawatzki
Wie Charly Hübner und Andrea Sawatzki das spielen, ist zum Niederknien. Diese Geschichte ist wie alle der sechs Folgen an extrem lichtarmen, klaustrophobisch engen Orten angesiedelt – und ein Dialogfeuerwerk sondergleichen. Es sei auch immer als Kammerspiel gedacht gewesen, sagt Schalko. „Gefühlterweise sind die Räume von Folge zu Folge auch immer kleiner geworden. Aber es war für mich z.B. reizvoll, eine Folge in einem Zugabteil z.B. spielen zu lassen. Und dass die Wendungen immer über Dialoge kommen. Dass nicht alle zwei Minuten das Setting wechselt, sondern man wie im Theater eigentlich über eine halbe Stunde in einem Raum ist und man die Wendungen, aber auch die Abgründe eigentlich nur dialogisch erzählt über die Schauspieler. Dass es was sehr Reduziertes ist.“
Und mit einer Lässigkeit und Meisterschaft, die weit und breit ihresgleichen sucht.
David Schalkos Serie „Warum ich?“ ist ab 20.06.25 zu sehen in der ARD-Mediathek.