Ludwig „Luggi“ Waldleitner (Produzent von Rainer Werner Fassbinders „Lili Marleen“), Leni Riefenstahl und Olga Tschechowa: Einst berühmte deutsche Filmgrößen dürfen nicht mehr als Träger der Ehrenmedaille der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (SPIO) bezeichnet werden. Die Auszeichnung wurde ihnen posthum aberkannt. Auch der 1994 verstorbene Filmstar Heinz Rühmann („Die Feuerzangenbowle“) verlor die ihm 1972 überreichte Medaille.
Grund dafür: Ein umfangreiches Gutachten (externer Link), das der Historiker Bernhard Gotto vom Münchner Institut für Zeitgeschichte über „NS-Belastungen“ einst beliebter Filmstars anfertigte. Über Rühmann heißt es dort, er sei zwar nicht NSDAP-Mitglied geworden, jedoch „systemloyal“ gewesen, wie auch seine Kollegin Olga Tschechowa („Hitlers Tischdame“): „Sie genossen die materiellen Privilegien und die Wertschätzung von NS-Potentaten wie Hitler, Goebbels und Göring.“
Rühmann wurde schon zu Lebzeiten vorgeworfen, er habe sich aus Karrieregründen von seiner jüdischen Ehefrau Maria Bernheim scheiden lassen. Allerdings vermittelte er ihr eine Scheinehe mit einem schwedischen Schauspieler und unterstützte sie mit einer Sondergenehmigung auch noch im schwedischen Exil mit regelmäßigen Geldüberweisungen.
„Klares Zeichen gegen Rechtsextremismus“
Die Verleihung der Ehrenmedaille an die NS-Propaganda-Filmerin Leni Riefenstahl im Jahr 2002 wird von der SPIO in einer Pressemitteilung rückblickend als „schwerer Fehler“ bewertet, zumal es bereits damals erhebliche Proteste gegeben hatte. SPIO-Präsident Peter Schauerte betonte: „Wir wollen mit der Aberkennung der Medaille ein klares Zeichen gegen den wieder erstarkenden Rechtsextremismus, aber auch gegen jede andere Form von Extremismus, Rassismus, Diskriminierung und Hetze setzen.“ Riefenstahl, Autorin von pathetischen Dokumentarfilmen über NS-Parteitage und die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, habe in „besonders exponierter Form“ die NS-Ideologie propagiert, so das Gutachten.
Über den Produzenten Ludwig Waldleitner heißt es dort: „Er war höchst erfolgreich darin, seine eigene Biografie vor 1945 zu beschönigen.“ So sei er entgegen seiner Behauptungen nie aus der NSDAP ausgetreten. Er sei an der Postproduktion von Riefenstahls Olympia-Zweiteiler beteiligt gewesen: „Waldleitners Karriereschritte, die er nach 1945 systematisch herunterspielte, wären ohne Protektion und einen guten Leumund bei der NSDAP nicht möglich gewesen.“ Die Spruchkammer habe ihm seine „Lügen und Verharmlosungen“ beim Entnazifizierungsverfahren abgenommen.
„Keine Bedenken oder Skrupel“
Auch August Arnold, Mitbegründer der Firma ARRI, mogelte sich offenbar durch die Spruchkammer, weshalb ihm seine Ehrenmedaille jetzt posthum entzogen wurde: „Belegt ist, dass er sich den neuen Machthabern anbiederte: 1933 warb er damit für sich, bereits 1927 den Nürnberger Parteitag der NSDAP gefilmt zu haben. Außerdem beschäftigte die Firma ARRI einige Mitarbeiter wie den Regisseur Franz Seitz (den Vater des gleichnamigen späteren SPIO-Vorstandsmitglieds) und den Drehbuchautor Joseph Dalman, die sich früh und entschieden auf Seiten der NS-Bewegung gestellt hatten. Solche Indizien sprechen dafür, dass Arnold keine Bedenken oder gar Skrupel hatte, sich als regimekonformer Geschäftsmann zu positionieren.“
Insgesamt wurden 89 historische Personen auf ihre Rolle in der NS-Zeit überprüft, für etwa vierzig Prozent konnten dazu „keine sicheren Aussagen“ getroffen werden. 13 Filmschaffende wurden als „belastet“ eingestuft: „Die jeweiligen Umstände, die zu dieser Einstufung führen, wiegen schwer. Unter den Führungskräften der SPIO und den von ihr mit der Ehrenmedaille der deutschen Filmwirtschaft Ausgezeichneten befanden sich Männer (und mit Leni Riefenstahl auch eine Frau), die persönlich an Gewaltverbrechen beteiligt waren, die sich an ‚Arisierungen‘ bereichert hatten, die an Kriegsverbrechen und der Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern Anteil hatten, oder die durch ihre organisatorische oder künstlerische Arbeit das Medium Film zwischen 1933 und 1945 den Zielen des NS-Regimes dienstbar gemacht hatten.“
„Kaltschnäuzigkeit gegenüber dem Leid der Opfer“
In seinem Fazit zeichnet Historiker Bernhard Gotto ein „bestürzendes“ Gesamtbild, schränkt jedoch ein: „Die SPIO war kein außergewöhnlich breites Sammelbecken für Akteure, die sich während der NS-Diktatur an Verfolgungen beteiligt hatten. Aber sie hob sich auch in keiner Weise von der Kaltschnäuzigkeit gegenüber dem Leid der Opfer ab, die es stark korrumpierten NS-Funktionseliten erlaubte, ihre Karrieren in der Bundesrepublik fortzusetzen.“

