Vergangenes Wochenende in Berlin. Die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen endet mit Live-Musik. „Reise“ heißt der Wahlkampfsong der Grünen. Er macht Hoffnung und appelliert daran, so zu handeln, dass es künftigen Generationen besser geht. Geschrieben hat den Song Wir-sind-Helden-Bassist Mark Tavassol.
„Uns geht’s darum, dass wir mit einem Lied die richtige Seite unterstützen,“ sagt Tavassol, ohne dass der Song eine parteipolitische Positionierung beabsichtige. Man unterstütze eine Idee, nach der den Leuten komplexere Themen nahegebracht werden. Und dass es nicht immer nur darum geht, dass „aufs Maul geschaut wird.“
Zuversicht statt Angst
„Reise“ ästhetisiert die Wahlkampagne der Grünen, in einer Zeit, in der viele gerade nicht das Gefühl haben, auf einer gemeinsamen Reise zu sein. Der Song versucht sich an einer anderen Erzählung. Nicht Angst soll politisches Handeln leiten, sondern Zuversicht.
Die Kultursoziologin Anna Schwenck erklärt, dass der Song thematisch abweicht vom Wahlkampf anderer Parteien, die stark auf Themen wie „nationale Identität“ setzen. Etwa beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle vergangenes Wochenende. Musik, so wie sie dort gespielt und verstanden werde, sorge im politischen Kontext für ein identitätsprägendes „Wir-Gefühl“, so Schwenck.
Pop als politische Image-Pflege
Eine Wahlkampfhymne wie die Grünen haben andere Parteien nicht. Aber auch sie nutzen Pop für die Imagepflege. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay rappt auf TikTok über Kürzungen in der Kultur. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann vertont seit Jahren sein politisches Handeln. Unter dem Künstlernamen MBSounds. Sein aktueller Hit heißt „Gehen, um zu stehen“, eine musikalische Reaktion auf das Ampel-Aus.
Notwendigkeit, Haltung zu zeigen
Künstler scheuen, auch aus Angst vor einer Ablehnung in sozialen Medien, vor eindeutigen Positionierungen. Hier unterscheidet sich der deutsche Bundestagswahlkampf vom vergangenen US-Wahlkampf, wo prominente Musikerinnen wie Taylor Swift oder Billie Eilish ihre Unterstützung für Kamala Harris verlauten ließen. Mark Tavassol sagt, auch er sei in der Vergangenheit nicht dafür bekannt gewesen, parteipolitisch Position zu beziehen. Doch als Künstler spüre er mittlerweile die Notwendigkeit, Haltung zu zeigen.