Keine fünf Sekunden dauert dieser „twang“, diese Slide-Gitarre und schon weiß der Fan, in welchem Wim Wenders-Film wir uns befinden. Natürlich sind wir in Paris. Nur der Eiffelturm ist nirgendwo zu sehen – denn es handelt sich zwar um Paris, aber um jenes in der kargen, wüstenhaften Landschaft von Texas. Nicht das einzige Mal, dass der Musiker Ry Cooder für seinen Freund Wim Wenders die Musik besorgt hat.
Für Wenders ist Musik genau wie für Quentin Tarantino entscheidend, geradezu überlebenswichtig: „Musik ist für mich integraler Bestandteil nicht nur der Filmsprache, sondern ganz oft auch des Themas eines Films. Worum es in einem Film geht, liegt oft auch in der Musik selbst [drin] und wird auch durch die Musik mitgetragen und mitgeteilt.“
Wenders Leidenschaft für Musik ließ nie nach
Auch im Film „Buena Vista Social Club“ ist der Star die Musik – und die Künstler, die sie spielen. Wim Wenders hat 1999 den Dokumentarfilm über die nahezu vergessenen Altmeister kubanischer Musik gedreht. Nachdem ihn Cooder auf die Insel mitgenommen hatte: „Diese alten Herren waren vergessen und in Kuba selbst war diese altmodische Musik auch nicht mehr angesagt.“ Aber die „alten Herren“ hätten „ihren Stiefel weiter musiziert“ und seien „dann sowas wie die Beatles geworden auf ihre alten Tage“.
Für Wenders gibt es ein Happy End: „Buena Vista Social Club“ wird 1999 für den Oscar nominiert. Das spannende: die meisten Wenders-Filme sind erstaunlich gut gealtert. Auch der schon knapp 50 Jahre alte „amerikanische Freund“, die ganz eigene Wim Wenders-Verfilmung vom Patricia Highsmiths „Der talentierte Mr. Ripley“ mit Dennis Hopper und Bruno Ganz, der im Film ein altes Kinks-Lied mitsummt. Wenders Leidenschaft für Musik lässt nicht nach: im „Himmel über Berlin“ schickt Wenders die beiden Engel Damiel und Cassiel in ein Nick Cave-Konzert, weil sie dort Marion vermuten, eine Trapezkünstlerin, auf die Damiel einen ziemlichen Crush hat.
Wenders ist immer neugierig geblieben
Und auch in der ähnlich poetischen Fortsetzung, „In weiter Ferne, so nah!“ ist die Liebe von Wim Wenders zur Musik und ihren Helden unübersehbar, beziehungsweise unüberhörbar. Als Otto Sander aus einem Hotelzimmer ein wenig Gitarrengeplänkel dröhnen hört, schlüpft er engelsgleich in das Zimmer 612 – und – Überraschung – dort übt gerade Lou Reed.
„Ich glaub’ Neugier erhält sich nur, indem sie ständig befriedigt wird“, sagt Wenders und zum Glück ist er neugierig geblieben. Zuletzt drehte er „Perfect Days“, ein Wunder wie ein Sonnenuntergang, so schreibt es eine Zeitung. Auch dieses Wunder, die „Perfect Days“ waren 2024 Oscar-nominiert. Was nicht zuletzt an der Musik liegt, die der japanische Toilettenreiniger Hirayama auf dem Weg zur Arbeit auf Kassette hört – von Velvet Underground oder Patti Smith.
Heute wird Wim Wenders 80 Jahre alt. Und wer weiß, vielleicht hat er sich ja auch einen ganz speziellen Song für diesen ganz besonderen Tag ausgesucht.