Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Mercedes einen weiteren Schritt hin zum autonomen Fahren genehmigt. Fahrerinnen und Fahrer können nun unter bestimmten Bedingungen die Hände vom Steuer und die Füße von Gas und Bremse nehmen und sie müssen auch nicht mehr auf die Straße schauen. Es ist sogar erlaubt, zum Beispiel einen Film anzuschauen oder eine E-Mail zu schreiben. Das funktioniert laut Mercedes, wenn man auf der rechten Autobahnspur im normalen Verkehrsfluss hinter einem anderen Fahrzeug herfährt. Bisher war nur Tempo 60 erlaubt, was allerdings auf der Autobahn nur etwas bringt, wenn Stau ist.
Großer Zusatznutzen, aber …
Der Sprung auf Tempo 95 ist insofern ein wichtiger Schritt, erklärt Timo Woopen, Leiter Fahrzeugintelligenz und Automatisiertes Fahren am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen. Er bringe einen deutlichen Zusatznutzen für die Kunden. Man könne jetzt tatsächlich den Großteil einer Autobahnfahrt automatisiert bewerkstelligen, so Woopen. Von einem richtigen Durchbruch spricht der Experte allerdings noch nicht.
Mercedes bleibt noch in Stufe 3
Autonomes Fahren wird in fünf Stufen unterteilt. Stufe 2 bedeutet, dass der Fahrer die Hände zwar in speziellen Situationen kurz vom Lenkrad nehmen kann. Er muss aber weiterhin schnell eingreifen können, hat also weiterhin selbst die Kontrolle und damit auch die volle Verantwortung. In Stufe 3 übernimmt das System und der Fahrer muss nur noch abrufbereit sein. Das könnte im Fall von Mercedes zum Beispiel dann nötig sein, wenn das Auto, hinter dem man herfährt, plötzlich von der Autobahn auf eine Ausfahrt abzweigt. Dann fehlt dem System der Orientierungspunkt. Mercedes ist mit seiner neuen Zulassung für Tempo 95 hierzulande Vorreiter. Bisher hat in Deutschland ohnehin – außer Mercedes – nur BMW die dritte Stufe erreicht.
Was kommt als Nächstes?
Die nächste große Etappe und damit auch der Durchbruch beim autonomen Fahren wäre Stufe 4. Hier kommt das Auto in einem vordefinierten Bereich alleine klar, zum Beispiel auf einer Strecke zwischen Flughafen München und Hauptbahnhof. Im Prinzip könnte in dieser Stufe auch schon auf das Lenkrad komplett verzichtet werden, wie Timo Woopen erklärt. Es braucht keinen Fahrer mehr, zumindest nicht auf der vordefinierten Strecke. Die fünfte Stufe ist für Autohersteller ein eher theoretisches Fernziel. Auf diesem Level kann sich das System, wie ein Mensch, im Prinzip auf alle Straßen und Routen rund um den Globus einstellen.
Was fehlt bis Stufe 4?
In autonomen oder auch nur teilautonomen Fahrzeugen ist enorm viel digitale Technik verbaut, damit das Fahrzeug sozusagen seine Fühler ausstrecken kann. Dazu zählen zig Sensoren, Kameras und Radartechnik. Auch Lidar kommt zum Einsatz. Das ist eine Laser-Technologie, die Licht aussendet und, je nachdem wie dieses reflektiert wird, die Entfernung zu Hindernissen misst.
Der US-Elektroautohersteller Tesla setzt, anders als etwa Mercedes und BMW, nur auf Kameras. Die US-Ingenieure seien auch damit schon sehr weit gekommen, sagt Timo Woopen. Derzeit tobt unter den Experten eine Art Glaubenskrieg, ob man für autonomes Fahren wirklich auch Radar und Lidar braucht oder nicht. Tesla hat allerdings in Deutschland bisher erst Level 2 erreicht.
Es bleibt ein weiter Weg
Unstrittig ist dagegen: Für Stufe 4 muss vor allem bei der Software noch viel passieren. Das Auto muss so gut wie jede Situation kennen, beziehungsweise damit umgehen können. Das Schlimmste, das passieren darf, ist, dass das Fahrzeug (sicher!) in die nächste Parklücke fährt, wenn es gar nicht mehr weiter weiß. Besonders gut unterwegs in Richtung Level 4 ist das US-Robotaxi-Unternehmen Waymo, eine Google-Tochter. Dessen Fahrzeuge sind zum Beispiel in San Francisco bereits ohne Fahrer unterwegs. Auch BMW will vorankommen und betreibt extra Testgelände für automatisiertes Fahren im tschechischen Sokolov. Wann genau die begehrte Stufe 4 kommt, ist allerdings unklar (externer Link). In Deutschland wohl aber eher nach 2030 als vorher.