Über neue Entwicklungen zum Thema KI berichtet BR24 wöchentlich im KI-Podcast, aktuell wieder am 11.5.2024.
Was soll ich heute kochen? Sag mir fünf Ausflugsziele im Landkreis Main-Spessart! Wie wirkt sich der schwarz-rote Koalitionsvertrag auf die Butter-Preise aus? Solche und viele andere Alltagsthemen können Menschen schon heute mit künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT besprechen.
Und natürlich hilft der KI-Chat auch heute schon bei der Suche nach der richtigen Waschmaschine, dem besten Handy, der neuen Kaffeesorte. Genau das, also Kaufberatungen, will der Anbieter OpenAI in Zukunft aber wohl deutlich ausbauen. Nutzer sollen künftig nicht nur Beratung zu neuen Produkten bei ChatGPT finden, sondern auch einen direkten Link zu einem Online-Shop, wo es das Produkt gibt.
Kaufberatung soll persönlich werden
Eine Demo-Version dieses neuen Features konnten die US-Kollegen von „Wired“ nun testen (externer Link). Bei der Beratung des Kunden nutzt ChatGPT wie üblich Informationen aus dem Netz, etwa Test-Ergebnisse der „Wired“-Redaktion oder Bewertungen aus Foren. Dabei schaut sich ChatGPT wohl weniger nach Keywords: Vielmehr will man über das persönliche Chat-Gespräch das richtige Gerät für den Kunden finden, auch indem die KI sich Geschmäcker und Vorlieben des Kunden für künftige Beratungen einprägt.
Optisch fühlen sich die „Wired“-Tester an die Shopping-Funktion von Google erinnert: Der User klickt auf das empfohlene Produkt und bekommt eine Linkliste zu Shops angezeigt. Anders als bei Google können die Shops dort allerdings – bis dato – keine Platzierung kaufen.
Angriff auf Google und mehr
Dennoch bewertet „Wired“ das neue ChatGPT-Produkt als Angriff auf den Suchmaschinen-Riesen Google. Tatsächlich zeigte eine Statista-Marktforschung (externer Link) etwa 2022, dass Suchmaschinen der wichtigste Kanal sind, um nach Produkt-Informationen zu suchen. 60 Prozent nutzten die Suche als Info-Kanal beim Einkaufen.
Es folgten zum Beispiel Preisvergleichswebsites (33 Prozent), Video-Dienste wie YouTube (19), soziale Medien (17), klassische Medien (12) sowie Blogs und Podcast (7).
Muss ganze Branche zittern?
Für sie alle könnte die Kaufberatungsoffensive von ChatGPT nun zum Problem werden. Und das kurz nachdem mit TikTok Shop ein weiterer Player im E-Commerce-Markt mit dem Buhlen um Käufer begonnen hat – indem er ermöglicht, dass Produkte, die etwa Influencer dort testen und/oder präsentieren, direkt in der TikTok-App gekauft werden können.
ChatGPTs Attacke dürfte sogar noch breiter sein. Stellt der Service – bei Erfolg – doch Teile des Geschäftsmodells einer ganzen Branche infrage. Große Firmen wie Check24 oder Idealo bieten Preisvergleiche für unzählige Produkte an und ergänzen diese um Bewertungen von Kunden und Medien. Journalistische Angebote, etwa „Computerbild“, „Connect“, „Chip“ oder in den USA „Wired“ oder „Wirecutter“, testen Produkte systematisch und verlinken Shops in den Testberichten. Dazu kommen unzählige kleine Blogs, die Produkte empfehlen, oder Websites, die Herstellerangaben zu Produkten aufbereiten und vergleichen.
Sie alle eint, dass sie mindestens einen Teil ihres Erlöses daraus generieren, dass Menschen sich beim Kauf von Produkten – sei es nun in Sachen Preis oder über Labor-Testwerte oder persönliche Erfahrungen – von ihnen beraten lassen, auf Links in der Preisvergleichstabelle, dem Artikel oder dem Blogbeitrag klicken und dann im Shop hinter dem Link kaufen. Denn der Online-Händler kann mitverfolgen, wer den Kunden geschickt hat und zahlt eine Provision an den Absender.
Branche gibt sich abwartend
ChatGPT hat laut eigener Aussage gegenüber „Wired“ noch keine genauen Pläne, wie es selbst in dieses Provisionsgeschäft einsteigen möchte – und inwiefern Angebote wie „Wired“, die ChatGPT immerhin die Test-Ergebnisse bereitstellen, beteiligt werden könnten.
In der deutschen Preis- und Produktvergleichsbranche gibt man sich auf BR-Anfrage fürs Erste noch abwartend bis entspannt. „Wir haben es natürlich auf dem Schirm und sind gespannt, wie die tatsächliche Ausgestaltung und Qualität ist“, schreibt „Chip“-Redaktionsleiter Manuel Schreiber auf BR-Anfrage. Eine seriöse Einschätzung könne man in diesem frühen Stadium aber noch nicht treffen.
Auch ein Sprecher des Vergleichsportals Check24 äußert entsprechend, dass er „zum aktuellen Zeitpunkt“ noch keine Stellung nehmen könne. Preisvergleich Idealo schreibt dem BR: „Grundsätzlich begrüßen wir alle Innovationen im Markt, die eine transparente und gesetzeskonforme Informationsbasis für Kaufentscheidungen bieten und gleichzeitig Vielfalt sowie fairen Wettbewerb im europäischen E-Commerce stärken.“