Benommen wachen wir in einer Science-Fiction-Welt auf, die aussieht wie eine Mischung aus Fritz Langs Metropolis und einer Fernsehwerbung aus den Sechzigern: Art-Déco-Fassaden, Chrom, Hochglanz, verschnörkelte Lettern. Eine Gesellschaft, pappsüß, grell und klebrig, die auf Effizienz und Kontrolle getrimmt ist. Eine Art Anti-Star Trek.
Metropolis trifft Müsliriegel
Denn wo Star Trek einst vom Ende des Kapitalismus träumte, von Forschung, Vernunft und Gleichheit, ist in The Outer Worlds 2 alles Ware, alles Marke, alles Markt, alles Marketing.
Drei Mächte ringen hier um die Zukunft. Das autoritäre Protektorat predigt Gleichheit – und überwacht dabei alles. Der Megakonzern Auntie’s Choice verkauft Glückshormone in Müsliriegel-Form und Hautcremes mit Heilsversprechen. Und dann ist da noch der Orden der Aszendenz, eine wissenschaftlich-religiöse Bewegung, die der Stochastik huldigt und glaubt, alles auf der Welt ließe sich exakt berechnen.
(K)ein richtiges Leben im Falschen
The Outer Worlds 2 ist eine Space Opera, aber keine heroische. Es gibt keinen Captain Kirk, der immer weiß, was richtig ist. Wir müssen selbst entscheiden, wem wir trauen, wem wir helfen, wem wir uns entgegenstellen. Das Computerspiel lebt von dieser Interaktivität, es lässt uns nicht nur zuschauen, sondern handeln. Oder, um Adorno zu bemühen: Es gibt kein richtiges Leben im falschen – aber hier dürfen wir wenigstens selbst bestimmen, wie genau unser falsches Leben im Falschen aussieht.
Die Schwächen der Spieler
Besonders clever ist das System der Schwächen. Das Spiel beobachtet, wie wir spielen, und zieht daraus Konsequenzen. Wer ständig zu viel Beute hortet, bekommt die Schwäche „Kleptomania“: Wir stehlen nervöser, werden leichter erwischt. Wer zu oft verletzt wird, leidet unter „Bad Knees“, die Figur bewegt sich langsamer, springt schlechter.
Und so fühlen wir uns beim Spielen ertappt und denken unweigerlich an jene Tech-Konzerne, die auch in der echten Welt unser Verhalten auf Schritt und Tritt analysieren, um uns etwas zu verkaufen.
Kapitalismuskritik und Klamauk
The Outer Worlds 2 ist eine Parodie. Das Spiel übertreibt, spiegelt, verzerrt – und doch schimmert hinter den pastellfarbenen Reklamelichtern immer unsere Gegenwart durch: das Prinzip der Optimierung, der Glaube an Selbstverbesserung, die Moral der Effizienz.
Natürlich: Die Kapitalismuskritik ist flacher als auf einem Neumitglieder-Stammtisch der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands. Konzerne böse, Geld schlecht, that’s it. Doch hinter all dem grellen Klamauk steckt trotzdem eine Wahrheit: Diese Zukunft ist nicht fern. Sie ist längst da.
Denn wir leben längst in einer Welt, in der Effizienz zum Fetisch geworden ist, in der Selbstoptimierung die neue Religion ist und in der selbst Nähe und Intimität, etwa durch KI-Chatbots, zur Ware wird.
The Outer Worlds 2 hält uns den Spiegel hin: bunt, laut, komisch. Und es zeigt, dass Fortschritt ohne Menschlichkeit am Ende Stillstand ist.

