Toxische Gruppen und „Gebote“
Die Dynamik in solchen Gruppen ist oft eine Mischung aus gegenseitiger Unterstützung und toxischer Motivation. Die Mitglieder posten täglich ihr Gewicht, teilen Fotos von sich auf der Waage und motivieren sich gegenseitig, noch weniger zu essen. „Thinspiration“ – eine Wortschöpfung aus „thin“ (dünn) und „inspiration“ – ist ein zentrales Element: Bilder von extrem dünnen Körpern, die als Motivation dienen sollen.
„Dünn sein ist wichtiger als gesund sein!“, lautet eines der „Gebote“, die in der Pro-Ana-Community kursieren. „Nahrungsverweigerung und dünn sein sind Zeichen wahren Erfolgs und wahrer Stärke!“
Selbst als Lena in eine Klinik eingewiesen wird, lässt sie die Online-Welt der „Reismädchen“ nicht los. „Ich bin eben dringeblieben und habe von acht Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags versucht, gesund zu werden. Ab vier Uhr hatte ich dann mein Handy. Und dann war ich wieder Pro Ana.“
Die Gruppe bricht auseinander
Im Laufe der Zeit steigt Lena in der Hierarchie der Online-Gruppe auf. Sie wird zur Administratorin, rekrutiert neue Mitglieder, stellt Regeln auf. „Ich war irgendwie besonders, ich bin hier wichtig und ich organisiere das alles“, erinnert sich Lena an diese Zeit. Sie erstellt Excel-Tabellen mit den Gewichten und Größen der Mädchen, überwacht die Aktivitäten in der Gruppe.
Doch die scheinbare Kontrolle ist trügerisch. Als ein Mitglied namens Zaima erklärt, sie wolle eine „ATE“ sein – „Ana til the End“, also sich zu Tode hungern – bricht die fragile Online-Gemeinschaft auseinander. Der Chat wird stiller, Mitglieder verlassen die Gruppe. Die digitale Blase platzt.
„Pro Ana“ als Eskapismus
Lenas Weg zur Genesung führt sie wieder ins Internet – aber diesmal auf eine andere Weise. Sie beginnt, ihre Erfahrungen in Poetry Slams zu verarbeiten und teilt Videos davon online. „Ich bin stolz auf etwas, das normal ist für alle, nur für mich nicht“, trägt sie in einem ihrer Texte vor.
Während Plattformen und Behörden versuchen, Pro-Ana-Inhalte zu löschen und zu regulieren, finden die Communitys immer neue Wege und Codes, um unter dem Radar zu bleiben. Lenas Erfahrung macht deutlich: Der Kampf gegen Essstörungen erfordert echte, menschliche Verbindungen – online und offline.