Fragt man ChatGPT danach, welche Auswirkungen ein Digitalminister Karsten Wildberger auf die deutsche Tech-Branche haben wird, beginnt die Antwort mit folgendem Satz: „Wildbergers Wechsel ins Ministeramt wird von vielen als Signal für eine wirtschaftsfreundliche Digitalpolitik gewertet.“
Auf wirklich „viele“ Wertungen von Wildbergers Wechsel konnte die KI sich dabei so kurz nach Bekanntwerden der Personalie aber wohl nicht stützen: Denn, dass der wahrscheinliche Bald-Kanzler Merz den CEO der MediaMarktSaturn-Mutter Ceconomy als Digitalminister vorschlagen würde, war vorab nicht durchgesickert. Anders als zahlreiche andere Namen.
Klassischer Quereinstieg
Ebenso anders als andere bisherige Minister-Kandidaten, war Wildberger zuvor kein Berufspolitiker. Er ist promovierter Physiker, leitet seit 2021 Ceconomy und war zuvor bei E.ON sowie in der Telekommunikationsbranche tätig. Der Mittfünfziger ist zudem stellvertretender Chef des CDU-Wirtschaftsrates und im Vorstand des Handelsverbands Deutschland (HDE).
Aus der Verantwortung für zehntausende Mitarbeiter wechselt er nun in das erste deutsche Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Dort gilt es große Aufgaben zu bewältigen: Der Staat und seine Verwaltung soll digitaler, mehr digitale Infrastruktur ausgebaut, Datenschutz zentral geregelt, KI-Regulierung geschaffen werden.
Thematisch scheint Wildberger gut in diese Rolle zu passen: So schrieb das „Handelsblatt“ (externer Link) kurz nach seinem Amtsantritt bei Ceconomy, dass Wildberger als ausgesprochener Experte für Digitalisierung gelte. Auch sein vorheriger Arbeitgeber E.ON formulierte zu Wildbergers Abgang als Vorstandsmitglied, dass man sich „unter seiner Führung hin zu einem digitalen Energieunternehmen gewandelt“ habe.
Vernehmbare Stimme des Handels
Dabei interpretierte Wildberger seine Rolle als Ceconomy-CEO durchaus „politisch“. So stieß er 2024 etwa eine Debatte über die Sonntagsruhe im Einzelhandel an, beklagte 2022 die Vernachlässigung des stationären Einzelhandels durch die Politik und ein veraltetes Bau- und Stadtplanungsrecht, erklärte im Winter 2021 einen erneuten Corona-Lockdown für aus seiner Sicht nicht vermittelbar.
Auch eines seiner künftigen Betätigungsfelder als Minister adressierte er in einem von Media Markt Saturn bezahlten, als „Anzeige“ markierten „Interview“ mit der „Welt“: Es sei wichtig, dass man in Europa und Deutschland eine Regulierung, ein Umfeld, ein Mindset schaffe, das einem Technologie-Führungsanspruch im Bereich KI gerecht werde. „Wenn wir über den Teich schauen, dann sehen wir, dass die Amerikaner deutlich mehr die Möglichkeiten betonen. Ich glaube, wir tun gut daran, das auch zu tun“, so Wildberger.
Handel reagiert positiv
Künftig ist Wildberger Adressat statt Absender politischer Forderungen. Er wagt damit einen in Deutschland bisher recht ungewöhnlichen Wechsel, aus dem Vorstand eines Großkonzerns in die Berliner Spitzenpolitik. Das dürfte ihm eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Hat doch zum Beispiel der Handelsverband Deutschland HDE, in dessen Vorstand Wildberger sitzt, erst vor wenigen Tagen Forderungen zum Thema Digitalministerium veröffentlicht (externer Link). Dass sein Vorstandmitglied Wildberger als Digitalminister vorgeschlagen werden würde, wusste der HDE zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Forderungen nicht, stellt ein Sprecher auf BR24-Anfrage klar.
Unabhängig davon bewerte man es als positiv, dass jemand in politische Verantwortung komme, der die Bedürfnisse des Einzelhandels in Deutschland richtig einschätzen könne und Praxiserfahrung habe. „Vom künftigen Digitalminister erwartet der HDE vor allem, dass schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, um den seit Jahren unfairen Wettbewerb von Plattformen wie Temu oder Händlern wie Shein abzustellen“, so der Sprecher zu BR24.
Lobbycontrol reagiert negativ
Darauf, inwiefern Wildberger sich bei seinen Prioritäten als Minister von Forderungen ehemaliger Mitstreiter leiten lässt, werden Gruppen wie Lobbycontrol künftig wohl besonderes Augenmerk legen. Mit Wildberger werde nicht nur ein Unternehmer, sondern auch ein Top-Lobbyist zum Minister gemacht, sagt Lobbycontrol-Sprecherin Christina Deckwirth. „Es ist fraglich, wie unabhängig Wildberger über Fragen von Digitalisierung und Staatsmodernisierung entscheiden kann“, so Deckwirth.
Die künftige Bundesregierung müsse nun sicherstellen, dass den bisherigen Arbeitgebern keine einseitigen Vorteile oder privilegierte Zugänge eingeräumt würden. Darüber hinaus fordert Lobbycontrol, dass Wildberger sein Amt als Vizepräsident des HDE sowie seine Funktionen im CDU-Wirtschaftsrat ablegt.