Mit dem Rückzug des tschechischen Großaktionärs ist ein monatelanger Kampf um die Mehrheit am Münchner Medienhaus ProSiebenSat.1 beendet. Neuer Mehrheitseigentümer wird der italienische Medienkonzern MFE-MediaForEurope. Der Finanzinvestor PPF aus Tschechien hatte am Mittwochabend bekanntgegeben, Anteile an MFE abgeben zu wollen. Insgesamt seien es rund 15,68 Prozent der Aktien von ProSiebenSat.1.
PPF könne seine Rolle als strategischer Investor nicht fortführen, hieß es in der Mitteilung. Der Anspruch, auf Augenhöhe mit MFE zusammenzuarbeiten, sei nicht erfüllt.
Berlusconi-Holding zuvor mit Übernahmeangebot gescheitert
Damit erreicht die italienische MFE mindestens 59 Prozent der Aktien. Zuvor hatte sie schon 43,6 Prozent gehalten. Dazu kommen noch die Anteile, die andere Aktionäre nun an die Holding verkaufen. Im März hatte MFE ein Übernahmeangebot gemacht und dieses im Juli noch einmal deutlich erhöht. Zwischenzeitlich hatten auch die tschechischen Investoren angekündigt, ihre Anteile deutlich aufstocken zu wollen.
Vor rund zehn Tagen war die Übernahmefrist offiziell abgelaufen, ohne dass MFE die nötige Mehrheit erreichen konnte. Doch Aktionäre haben seitdem noch einmal zwei Wochen Zeit, das Angebot der Italiener anzunehmen. Erst am 4. September zeigt sich, wie groß ihr Einfluss auf die Zukunft von ProSiebenSat.1 sein wird. Da die Hürde von 50 Prozent nun erreicht ist, kann MFE zwar bereits Umsätze und Gewinne in die eigene Bilanz aufnehmen. Um aber finalen Zugriff auf die Finanzmittel zu erreichen, ist eine Dreiviertelmehrheit nötig.
Journalistenverband: „rechtspopulistische Dampfmaschine“ befürchtet
Die italienische Familienholding MediaForEurope gehört den Kindern des ehemaligen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Plan der Holding ist es, ein europaweites Mediennetz (Link zum Audio) aufzubauen, um so gegen die internationale Konkurrenz wie zum Beispiel Netflix bestehen zu können. Neben einigen italienischen Sendern besitzt sie auch spanische Medienunternehmen.
Der Deutsche Journalistenverband reagierte auf die Mehrheitsübernahme mit einem dringenden Appell: Die journalistische Unabhängigkeit von ProSiebenSat.1 sei zu wahren. Der Bundesvorsitzende Mika Beuster sagte, es sei bedauerlich, dass das Medienhaus „von Berlusconi übernommen“ werde. Die künftigen Eigentümer seien gut beraten, die deutschen Privatsender nicht zu „rechtspopulistischen Dampfmaschinen“ zu machen.
Eigentümer stehen rechtspopulistischer Partei Forza Italia nahe
Silvio Berlusconi, der verstorbene Vater der neuen Eigentümer, hatte sein Medienunternehmen dazu genutzt, seinen politischen Einfluss zu stärken. Seit Mitte der 90er Jahre war Berlusconi mehrere Male Ministerpräsident Italiens – trotz wiederholter Skandale im Zusammenhang mit Korruption, populistischen Äußerungen und Frauenfeindlichkeit. Seine Kinder sind zwar nicht politisch aktiv, stehen Berlusconis populistischer Partei Forza Italia aber nahe.
Bereits während des Bieterkampfes hatte sich die Bayerische Landeszentrale für neue Medien geäußert, eine Bedrohung der Meinungsvielfalt sei nicht zu befürchten, schließlich sei MFE bislang nicht auf dem deutschsprachigen Medienmarkt aktiv.