Im vergangenen Jahr ging der Münchner Mischkonzern BayWa fast pleite – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. Das hat der Aufsichtsrat der BayWa auf der Aktionärsversammlung in München mitgeteilt. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass die finanzielle Lage der BayWa im Jahresabschluss 2023 falsch dargestellt wurde.
Heute weiß man, dass der Umsatz von damals – nahezu 25 Milliarden Euro weltweit – mit extremen Schulden von mehr als sechs Milliarden Euro zu teuer erkauft war. Es sei eine „Expansion um jeden Preis“ gewesen, so Vorstandschef Frank Hiller. Das 1923 gegründete Münchner Unternehmen ist der größte deutsche Agrarhändler und für die Landwirtschaft im Süden und Osten Deutschlands von großer Bedeutung.
Erst Bayern, dann Global Player – und zurück zum Local Hero
Aufsichtsratschef Gregor Scheller sieht sich vom ehemaligen Vorstand getäuscht. Er habe sich im Frühjahr 2024 anhand der Geschäftsberichte 2022 und 2023 über die BayWa informiert. „Die BayWa erschien mir geordnet und zukunftsfähig“, sagte er in München.
Damals wie heute glaubt Scheller an die Geschäftsidee und die Kerngeschäftsfelder der BayWa. Dazu zählen Agrarhandel, Baustoffe, die Technik (Landmaschinen und erneuerbare Energien) sowie der Bereich Wärme und Mobilität.
Aktionäre fordern weitere Rücktritte wegen Fehleinschätzungen
Die Stimmung unter den 911 Aktionärinnen und Aktionären in München ist getrübt. So kann man nach Ansicht einiger nicht weitermachen. Der Aktienkurs sei eh schon um 75 Prozent eingebrochen, sagt BayWa-Aktionär Rainer Mack im Gespräch mit BR24. Er habe die Aktien aus Solidarität gehalten. „Ich fühle mich nicht wahrgenommen. Die BayWa hat für mich keinen guten Namen mehr.“
Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) fordert einen Neuanfang, auch im Aufsichtsrat. Der alte Vorstand sei ausgewechselt worden, sagt Bergdolt. Nun müsse es „endlich“ auch Rücktritte im Aufsichtsrat geben. Im Kontrollgremium der BayWa saßen immer auch Politiker und hochrangige Verbandsvertreter, wie vom Bauernverband.
Schwere Vorwürfe auch gegen CSU-Vertreter im Aufsichtsrat
Zu den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft meldet sich auch die Grünen-Politikerin Katharina Schulze zu Wort: „Das BayWa-Versagen ist auch ein CSU-Versagen.“ Aufsichtsratsmitglieder wie Monika Hohlmeier (CSU) hätten weggeschaut oder persönliche Vorteile gesucht – auf Kosten der Mitarbeitenden, der bäuerlichen Betriebe und der Solidität des Konzerns. In der Münchner Zentrale fallen 40 Prozent der Stellen weg, insgesamt geht es bei der BayWa um 1.300 Arbeitsplätze, von denen mehr als Hälfte inzwischen abgebaut sind.
Wie kam es zum Debakel bei der BayWa? Was ist bislang bekannt?
Bei der BayWa brach 2024 überraschend eine existentielle Krise aus, auf die im zuvor veröffentlichten Jahresabschluss für 2023 noch nichts hingedeutet hatte. Hintergrund waren hohe Schulden für zahlreiche Zukäufe im In- und Ausland. Die Schulden waren zum großen Teil in der Nullzinsphase ab 2016 angehäuft worden. Doch die EZB erhöhte ab 2022 die Zinsen.
Preisschwankungen lassen Geschäftsmodell zusammenbrechen
Hohe Agrar- und Energiepreise zu Beginn des Ukraine-Kriegs bescherten der BayWa bis Ende 2023 zunächst gute Geschäfte, mit denen sich die finanziellen Probleme vorübergehend verschleiern ließen. Für Händler sind in Phasen steigender Preise viele Gewinne so gut wie garantiert. Umgekehrt läuft es, wenn der Markt dann nach unten dreht.
2024 wird für BayWa zum „Jahr der Wahrheit“
Ein Preisverfall bei Agrargütern brachte die BayWa in zusätzliche Schwierigkeiten. Viele ihrer internationalen Tochterfirmen, wie Turners & Growers in Neuseeland oder Cefetra wurden neu bewertet. Ausbleibende Gewinne führten zu Abschreibungen auf die Firmenwerte: Unterm Strich fiel 2024 ein Verlust von 1,6 Milliarden Euro an. Das Eigenkapital der BayWa war damit weg, die Schulden blieben.
Seitdem versucht das Unternehmen mit einem Sanierungsplan und der Hilfe von Banken und Gläubigern bis 2028 aus der Krise zu kommen. Den Aktionären wurde für fünf Jahre die Dividende gestrichen. Der Fokus liegt jetzt nur noch auf Bayern und Ostdeutschland, das internationale Geschäft wird verkauft.