Kommendes Jahr sollen die Krankenkassenbeiträge im Schnitt stabil bleiben. Das ist das Ergebnis einer Prognose des sogenannten „Schätzerkreises“. In ihm werten Fachleute, die von der Bundesregierung, dem Bundesamt für Soziale Sicherung und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung entsandt werden, Daten aus, die für die Kassenfinanzen eine Rolle spielen. Allerdings betonen die Kassenvertreter: Sie erwarten höhere Ausgaben als das Ministerium vorhersagt.
Gibt es für alle Kassen Entwarnung?
Nein, der Schätzerkreis errechnet den Finanzbedarf über alle 94 Einzelkassen hinweg. Daraus leitet er ab, wie hoch der Beitragssatz im Schnitt sein muss, um diesen Bedarf insgesamt zu decken. Auch wenn nach Einschätzung des Schätzerkreises der Beitragssatz insgesamt stabil bleiben kann, ist es dennoch denkbar, dass einzelne Kassen zum Januar den Beitragssatz anheben. Die Kassen haben bei ihren Entscheidungen wenig Spielraum. Wenn die Beitragseinnahmen nicht reichen, um die Ausgaben zu bestreiten, müssen sie mehr Geld von den Versicherten nehmen.
Der GKV-Spitzenverband und auch einzelne Kassen werfen der Bundesregierung vor, sie habe noch kein Rezept entwickelt, um Ausgaben und Einnahmen der Kassen langfristig in Einklang zu bringen. Eine Fachkommission erarbeitet derzeit Vorschläge, die in den kommenden Monaten vorgestellt werden sollen.
Wie genau sind die Berechnungen des Schätzerkreises?
In früheren Jahren hat der Schätzerkreis die tatsächliche Entwicklung der Beitragssätze im Folgejahr meist recht genau vorhergesagt. Die Fachleute sollen nicht über Entwicklungen sprechen, die sie für wünschenswert halten, sondern darüber, was realistisch erwartbar ist.
Im Jahr 2025 stiegen die Kassenbeiträge allerdings ein ganzes Stück schneller als die Fachleute errechnet hatten. Im Oktober 2024 hatte der Schätzerkreis einen historisch schnellen Anstieg des Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent vorhergesagt. Tatsächlich ist der Zusatzbeitrag im Jahresverlauf noch deutlich schneller gestiegen: um mehr als 1,2 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent.
Warum ist immer vom „Zusatzbeitrag“ die Rede? Hat er etwas mit Zusatz-Leistungen zu tun?
Der Begriff „Zusatzbeitrag“ ist eine rein technische Formulierung. Er wird rechnerisch auf den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent des Bruttolohns aufgeschlagen, beide zusammen ergeben den Gesamtbeitrag. Aber wenn der Zusatzbeitrag steigt, steigt automatisch auch der Gesamtbeitrag, den Versicherte und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte tragen.
Man könnte auch sagen, die Kassenbeiträge steigen. Dass es technisch die Zusatzbeiträge sind, die erhöht werden oder stabil bleiben, tut für die Versicherten nichts zur Sache. Zwischen Zusatz- oder Sonderleistungen der Kassen und dem Zusatzbeitrag gibt es keinen Zusammenhang.
Wird die Krankenversicherung nicht auch teurer, wenn der Beitragssatz stabil bleibt?
Die gesetzliche Krankenversicherung zieht einen bestimmten Prozentsatz vom Einkommen ihrer Versicherten ab. Wenn Löhne oder Renten steigen, gehen auch die Kassenbeiträge automatisch nach oben. Wer beispielsweise einen Brutto-Monatslohn von 4.000 Euro hat und 17,5 Prozent Kassenbeitrag zahlt, hat 700 Euro GKV-Abzüge. Wenn der Lohn auf 4.100 Euro steigt, geht auch der Kassenbeitrag nach oben: auf 715 Euro. Erst wenn das Einkommen eines Versicherten die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, hat ein höherer Beitragssatz nicht automatisch eine höhere Beitragssumme zur Folge.
Nach dem Sozialgesetzbuch sollen die Kassen grundsätzlich mit stabilen Beitragssätzen auskommen. Denn das zusätzliche Geld, das Lohn- und Rentensteigerungen den Kassen bringen, soll eigentlich genügen, um steigende Ausgaben zu finanzieren. Allerdings steigen die Ausgaben der Kassen seit etlichen Jahren deutlich schneller als Löhne und Renten.
Wie ist die Entwicklung bei den Privaten?
Auch die meisten Privatversicherten mussten in letzter Zeit von Jahr zu Jahr spürbar mehr für ihren Versicherungsschutz zahlen. Der PKV-Verband erwartet, dass auch zum kommenden Januar rund zwei Drittel der Privatversicherten deutlich höhere Prämien zahlen. Im Schnitt werde der Versicherungsschutz um 13 Prozent teurer, hat der Branchenverband errechnet. Darüber hinaus könne es vorkommen, dass einzelne Anbieter zwar nicht zum 1. Januar teurer werden, aber in den Folgemonaten, erklärt der Verband. Als Grund für die Prämienerhöhungen nennen die Privatversicherer das gleiche Problem, mit dem die gesetzlichen Kassen zu kämpfen haben: rasch steigende Ausgaben.
Welche Rechte habe ich, wenn eine Kasse ihren Beitragssatz anhebt?
In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt grundsätzlich das Recht, sich alle zwölf Monate eine andere Kasse zu suchen. Es gilt der sogenannte „Kontrahierungszwang“: Alle Kassen müssen alle Antragssteller aufnehmen, unabhängig von Alter, Vorerkrankungen oder Einkommen. Wenn eine Kasse ihren Beitragssatz anhebt, bekommen die Versicherten ein Sonderkündigungsrecht. Sie können sich eine neue Kasse suchen, auch wenn sie bei der bisherigen Kasse noch keine zwölf Monate waren.