Um mehr als das Doppelte ist die Zahl der Pflege-Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst (MD) in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, auf zuletzt mehr als drei Millionen pro Jahr. In vier von fünf Fällen sind nach Einschätzung des MD die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegeversicherung erfüllt.
Die meisten Menschen würden sich also erst dann für eine Begutachtung anmelden, wenn sie wirklich Pflege brauchen, erklärte der MD bei der Vorstellung neuer Berichte zur Pflegebedürftigkeit und zur Qualität in der Pflege. Der MD arbeitet zwar im Auftrag der Pflegekassen, ist aber unabhängig von ihnen.
Mehr Pflegebedürftige nach Gesetzesänderung
Rund 5,6 Millionen Menschen haben inzwischen einen Pflegegrad und damit das Recht, Leistungen der Pflegeversicherung zu beziehen. Auch hier habe sich die Zahl innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt, berichtet der MD. Der Anstieg erkläre sich zum einen dadurch, dass es immer mehr ältere Menschen mit Gesundheitsproblemen gibt. Dazu komme der Effekt einer Gesetzesänderung vor acht Jahren. Seitdem haben auch mehr Menschen, die unter kognitiven Einschränkungen leiden, etwa zu Beginn einer Demenz, Anspruch auf Pflegeleistungen.
Pflegegrad: Kontakt per Video und Telefon erleichtern Begutachtung
Eine positive Bilanz zieht der MD zur neuen Möglichkeit, dass Gutachter per Videoschalte oder Telefon Kontakt zu Pflegebedürftigen aufnehmen. Dadurch werde den Gutachtern viel Zeit gespart, die sie bei Hausbesuchen im Auto verbringen. Auch hätten es Versicherte oft lieber, wenn sie Fragen beantworten können, ohne dass sie jemanden in ihre Wohnung lassen müssen. Bei Erstanträgen sieht das Gesetz zwar eine persönliche Begutachtung vor, bei Folgeanträgen ist inzwischen aber grundsätzlich auch eine Bewertung der Lage aus der Ferne möglich.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, teilt in dieser Hinsicht die Einschätzung des MD. Auch sie höre von Mitgliedern immer wieder, dass sie es angenehmer fänden, wenn der MD über Anträge nach einer Begutachtung per Telefon oder Video entscheidet. Auf diese Weise sei es außerdem für Angehörige leichter, sich zuzuschalten, sagte Bentele, die bei der Vorstellung der Berichte des MD als Gast dabei war.
Pflege: „Qualität könnte besser sein“
Die Qualität der Pflege sei „insgesamt zufriedenstellend“, berichtet der MD nach stichprobenartigen Prüfungen, die er regelmäßig vornimmt. Vor allem beim Umgang mit verwirrten oder unruhigen Patienten gebe es aber Verbesserungsbedarf, ebenso bei der Wundversorgung von Menschen, die durch langes Liegen an Druckgeschwüren leiden. Bei der Wundversorgung in Pflegeheimen gebe es „erheblichen Optimierungsbedarf“.
In Tagespflege-Einrichtungen beobachtet der MD insgesamt eine „gute Qualität“. In der ambulanten Pflege gebe es „teilweise Verbesserungen“. Aber auch hier gebe es noch Bereiche, in denen eine bessere Betreuung wünschenswert sei, etwa bei der Beratung, wie sich Druckgeschwüre vermeiden lassen oder wie Angehörige mit demenzkranken Pflegebedürftigen umgehen.