Jeder Tarifvertrag trägt mindestens zwei Unterschriften: die einer Gewerkschaft und die eines Arbeitgeberverbandes. Sie besiegeln das Ausgehandelte quasi als Stellvertreter für ihre Mitgliedschaft. Das, was in puncto Entgelt, Arbeitszeit, Zulagen oder sonstigem geregelt wird, muss vom Betrieb eingehalten werden. Ausnahme: Es gibt Öffnungsklauseln, was aber nicht Standard in Branchenverträgen ist. Die Mitgliedschaft kann man natürlich aufkündigen, wie Adidas das zuletzt getan hat. Aber das hat Folgen für die Beschäftigten.
Firmen wollen flexiblere Regelungen
Der Sportartikelhersteller ist jetzt OT-Mitglied im Verband. Das steht für „Ohne Tarif“. Das ist inzwischen in vielen Arbeitgeberverbänden möglich. Der Vorteil für die Firmen: Sie können Angebote des Verbandes nutzen, allerdings sind sie an den vom Verband ausgehandelten Tarifvertrag nicht mehr gebunden.
Das Institut der deutschen Wirtschaft, IW, hat einmal nachgefragt. Warum entscheiden sich Firmen für diesen Schritt? Den weitaus meisten war eine Tariferhöhung zu hoch. Viele geben als Grund auch eine schlechte Ertragslage an. Und fast ein Drittel vermisst flexible Regelungen zur Arbeitszeit oder ihnen war die vereinbarte Wochenarbeitszeit einfach zu kurz. Befragt hat das IW Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, die aus ihrem zuständigen Arbeitgeberverband ausgetreten waren.
Tarifregelungen wirken nach
Allerdings bedeutet das nicht, dass alle bisher vereinbarten Regelungen gleich wegfallen. Solange der Vertrag noch läuft, sind die Firmen trotz Aufkündigung der Mitgliedschaft daran gebunden. Erst das, was mit der Gewerkschaft neu vereinbart wird, ein Lohnplus zum Beispiel, müssen sie nicht mehr auszahlen.
Für die Belegschaft wirken die Bestimmungen – wie es Juristen nennen – nach. Und zwar so lange, bis ein neuer Tarifvertrag unterschrieben wurde. Eine Einschränkung aber gibt es: Nur noch die, die bereits beschäftigt sind, können sich darauf berufen. Und eigentlich auch nur, wenn sie Mitglied in der Gewerkschaft sind oder ihnen die Regelungen im Arbeitsvertrag zugesichert wurden. Für neu eingestellte Kräfte gilt das nicht. Sie müssen die Konditionen jeder für sich aushandeln.
Mehr Lohn mit Tarifvertrag
Ein Tarifvertrag kann sich für Beschäftigte lohnen. Das hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung einmal ermittelt. Sie verdienen laut der Studie rund zehn Prozent mehr und müssen etwa eine Stunde pro Woche weniger arbeiten. Wobei viele tariflose Firmen sich durchaus anschauen, was im für sie relevanten Tarifvertrag steht. Viele wenden den dann nach wie vor an – aber sie sind dazu nicht mehr verpflichtet.
Das Tarifvertragsgesetz sieht aber eine Ausnahme vor: Wenn Tarifverträge einer Branche für „allgemeinverbindlich“ erklärt werden, dann müssen sich alle Betriebe der Branche daranhalten – auch wenn sie nicht im Arbeitgeberverband sind.
Haustarif statt Flächentarif
Was eine Gewerkschaft tun kann – außer den Schritt wie bei Adidas als grob unsportlich oder unsolidarisch zu bezeichnen – ist den Arbeitgeber zum Verhandeln aufzufordern. Und zwar über einen Haustarifvertrag. Bei Adidas könnte das eine Lösung sein. Der Konzern deutete schon an, eventuelle Lohnerhöhungen trotzdem zu übernehmen.
Was Adidas nicht will, ist eine zusätzliche Entgeltgruppe für bisher außertariflich Beschäftigte. Allerdings wird die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie ihre Forderung aus der laufenden Runde zum Flächentarif nicht einfach aufgeben. Lässt sich ein Arbeitgeber nicht darauf ein, über einen Tarifvertrag zu verhandeln, dann darf die Gewerkschaft am Ende auch zum Streik dafür aufrufen.