Im Zweifelsfall Gerichtsentscheidung
Auch im schwäbischen Balzhausen wurden Eigentümer zur Kasse gebeten. Einer von ihnen ist Stefan Stürminger. Er weigerte sich und kämpft seitdem mit einer Petition gegen Erschließungsbeiträge. Sein Eindruck: Straßen, die früher ausgebaut worden wären, gälten jetzt als Ersterschließungen. „Die machen, was sie wollen! Wir brauchen eigentlich keine Gesetze mehr. Du darfst nur noch daheimhocken, zahlen, fertig“, ärgert er sich.
Obwohl Bernd Söhnlein, Fachanwalt für Kommunalabgabenrecht, normalerweise Bürger im Kampf gegen Erschließungsbeiträge vertritt, nimmt er die Gemeinden in Schutz: Viele von ihnen würden seiner Erfahrung nach gerne auf Erschließungsbeiträge verzichten, um Konflikte mit Bürgern zu vermeiden. Im Zweifelsfall entscheide aber ein Gericht, ob eine Straße erschlossen ist oder nicht. Aufsichtsbehörden kontrollieren, ob Gemeinden richtig und wirtschaftlich sinnvoll handeln.
Verwirrung um alte Straßen
Eine Gesetzesänderung sollte 2021 mehr Sicherheit bringen. Der Freistaat legte fest: Wenn die Erschließung einer Straße vor mehr als 25 Jahren begonnen wurde, darf die Kommune ihre Bürgerinnen und Bürger jetzt nicht mehr zur Kasse bitten. Grundstückseigentümer wähnten sich in Sicherheit. Die Gemeinden gingen davon aus, dass sie für alte Straßen keine Erschließungskosten mehr verlangen dürften.
Doch dann stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Kriterien dafür auf, wann diese 25-Jahre-Frist beginnt. Dazu muss es ein Bauprogramm der Gemeinde sowie einen sichtbaren Start der Baumaßnahmen gegeben haben, entschieden die Richter. Gerade Bauprogramme gibt es laut Anwalt Söhnlein aber häufig nicht. Anwohner müssen beweisen, dass die Erschließung bereits vor mehr als 25 Jahren begonnen hat – oder zahlen.
Politischer Streit um Erschließungsbeiträge
Häufig sind weder Kommunen noch Bürger zufrieden. Die Freien Wähler hätten die Situation für Betroffene mit einem Gesetzentwurf verbessern wollen, sagt deren ehemaliger Landtagsabgeordneter Hans Friedl. „Es war mit der CSU aber keine Lösung zu finden“, kritisiert er.
Das Bayerische Innenministerium bestätigt, dass die Staatsregierung das Thema im Dezember 2022 geprüft hat. Eine gesetzliche Änderung sei nicht geplant. Die Regelung sei fair, denn durch die Erschließung steige der Grundstückswert.
Betroffener verkauft sein Haus
Einer, der den Kampf um Erschließungsbeiträge verloren hat, ist der Balzhausener Günter Baumgärtner. Knapp 28.000 Euro musste er für die Straße vor seinem Haus bezahlen. Das Haus musste er daraufhin verkaufen, er lebt jetzt in einer kleinen Wohnung.
Auch viele Betroffene in Eichenau setzt die Entscheidung des Gemeinderats unter Druck. „16 von uns sind Rentner“, sagt Widmann, „die wissen alle nicht, wie sie das machen sollen.“ Ein Problem, das auch auf andere Eichenauer zukommen dürfte: Etwa zehn Straßen hat die Gemeinde noch vor sich, sagt Bürgermeister Münster.

