Jedes Jahr schätzt ein Expertengremium die Höhe der voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen. Darauf aufbauend legt das Bundesgesundheitsministerium eine Orientierungsmarke für die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes fest. Heute ist es wieder so weit: Im kommenden Jahr soll dieser Anhaltspunkt laut Ressortchefin Nina Warken (CDU) bei 2,9 Prozent des Bruttolohns von Arbeitnehmern liegen und damit auf dem aktuellen Niveau verharren.
Orientierungswert bei 2,9 Prozent – Kassen legen Beiträge aber selbst fest
Die Höhe des ausgabendeckenden Zusatzbeitrags legt aber letztlich jede gesetzliche Krankenkasse individuell fest. Dies hänge mit der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Krankenkasse zusammen, so Warken im Interview mit der „Rheinischen Post“ (externer Link, möglicherweise Bezahlschranke). Da Wettbewerb unter den Kassen herrsche, müsse jede einzelne schauen, wie sie mit ihren Einnahmen und Ausgaben wirtschafte. Die Ministerin betont: „Manchen gelingt das besser als anderen, und deshalb gibt es unterschiedliche Zusatzbeiträge.“
Dem Gremium „Schätzerkreis“ gehören Fachleute aus Bundesgesundheitsministerium, Bundesamt für Soziale Sicherung und dem GKV-Spitzenverband an. Die Höhe des Orientierungswertes ist bereits seit Oktober bekannt, Experten hatten deshalb mit Warkens Festlegung auf 2,9 Prozent gerechnet.
GKV erwartet höhere Beiträge
Aktuell sieht es aber nicht so aus, als ob sich die Versicherer an die Empfehlung halten werden. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hatte zuletzt bereits davor gewarnt, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2026 die Drei-Prozent-Marke übersteigt. Schon für das laufende Jahr hatte das Bundesgesundheitsministerium die Orientierungsmarke eigentlich auf durchschnittlich 2,5 Prozent festgelegt, tatsächlich sind inzwischen aber 2,9 Prozent daraus geworden.
Hintergrund ist auch, dass die Prognose des Schätzerkreises nicht berücksichtigt, wenn Kassen Reserven auf vorgeschriebene Mindestniveaus auffüllen müssen. Zudem steigen die Ausgaben der Krankenkassen kontinuierlich. Um den Druck für Beitragsanhebungen zu mindern, hatte Warken gerade ein Sparpaket durch den Bundestag gebracht. Das sieht vor, die Kosten der gesetzlichen Kassen 2026 um zwei Milliarden Euro zu senken.
Strukturelle Reformen in der Gesundheitsversorgung gefordert
Die gesetzlichen Kassen kritisieren das Programm jedoch als nicht ausreichend. Sie verlangen einschneidende strukturelle Reformen, um die Kassen aus den roten Zahlen zu holen. Der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt, bekräftigte nun diese Warnung: „Wenn in den kommenden Wochen politisch nichts weiter unternommen werden sollte, dann werden in der Realität viele Kassen gezwungen sein, ihren Zusatzbeitrag anzuheben.“
Über die konkreten Zusatzbeiträge für 2026 für ihre Versicherten entscheiden die Kassen in den kommenden Wochen. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen, umfasst daneben den allgemeinen Satz von einheitlich 14,6 Prozent des Bruttolohns.
Warken rät: Versicherte sollen Versicherungswechsel prüfen
Bei Anhebungen des Zusatzbeitrags haben Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht bei ihrer Kasse. Erst Anfang 2025 hatten infolge kräftiger Beitragserhöhungen viele Versicherte ihre Krankenkasse gewechselt. Beobachter rechnen damit, dass es auch zum neuen Jahr wieder eine regelrechte Kündigungswelle geben wird.
Auch Bundesgesundheitsministerin Warken rät dazu, die verschiedenen Anbieter zu vergleichen. „Versicherte müssen für sich abwägen, ob sich ein Kassenwechsel lohnt – auch ich habe das als gesetzlich Versicherte im Blick.“ Nach Einschätzung der CDU-Politikerin ist das aber nicht immer der Fall, selbst wenn der Zusatzbeitrag über dem Schnitt liegt. „Beitragssatz und Leistungen sollten daher immer abgewogen werden.“
Mit Informationen von dpa, AFP und KNA

