Bröselige Schulen, marode Schienennetze und natürlich auch instabile Brücken – dass mit 500 Milliarden Euro Sondervermögen eine Menge Mängel beseitigt werden könnten und müssten, darin waren sich von Anfang an alle einig.
Aber inzwischen ist die neue Bundesregierung seit bald einem halben Jahr geschäftstüchtig und viele fragen sich: Was ist denn nun mit dem Sondervermögen? Kommt nun der Wirtschaftsboost oder laufen wir direkt hinein in die gefürchtete Schuldenfalle?
Für pünktliche Bahnen, stabile Brücken und moderne Schulen
In den nächsten zwölf Jahren sollen insgesamt 500 Milliarden Euro aus ebendiesem schuldenfinanzierten Sondervermögen in das Land investiert werden. 300 Milliarden Euro gehen an den Bund, 100 Milliarden Euro an die Bundesländer und weitere 100 Milliarden Euro fließen in den Klima- und Transformationsfonds.
Hauptaugenmerk soll auf der Infrastruktur liegen, also bei Bahn, Straßen, Brücken und Schulen. Zusätzlich soll die Finanzspritze auch dabei helfen, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Und: Das Geld soll die Wirtschaft ankurbeln. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2021 zeigt, dass ein Euro öffentlichen Investitionen im Durchschnitt 1,50 Euro private Investitionen erzeugt. Das ist die große Hoffnung.
Kritik an Ausgaben: „Vertrauen in Finanzpolitik erschüttert“
Doch je länger alle auf den großen Startschuss warten, desto stärker wächst die Kritik – und zwar nicht an der Idee des Sondervermögens an sich, sondern an der Art und Weise, wie es ausgegeben werden soll. Denn: Wirtschaftsexperten diverser Forschungsinstitute befürchten, dass das Geld nicht dort eingesetzt wird, wo es vorgesehen ist. „Hier geht es um das Vertrauen in die Finanzpolitik“, sagt Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, im ARD Podcast Plusminus, „und das ist erschütternd“.
Fuests Kritik ist insofern überraschend, weil der ifo-Chef gemeinsam mit anderen Wirtschaftsexpertinnen und -experten die Idee für das Sondervermögen vorgelegt hat. Doch für das Investitionspaket hatten die Ökonomen auch zentrale Regeln festgesetzt. Die sehen einige Experten nun missachtet:
- Das Sondervermögen soll ausschließlich in Investitionen fließen soll und nicht etwa in Zuschüsse für die Rente oder in Steuererleichterungen.
- Das Geld aus dem Sondervermögen soll zusätzlich zu dem investiert werden, was Bund und Länder in ihren Haushalten ohnehin schon festgehalten haben.
IW: Kosten vom Haushalt ins Sondervermögen verschoben
Schon im Vorfeld warnten die Ideengeber vor einem Missbrauch des Investitionspakets: „Ein Sondervermögen darf kein Verschiebebahnhof sein“, schrieb Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) beispielsweise in seinem Blog auf LinkedIn. Doch genau dafür findet das IW diverse Beispiele: Demnach streicht der Bund an einigen Stellen Geld für geplante Investitionen aus dem normalen Haushalt raus, die dann im Sondervermögen landen.
Beispielsweise wurden im sogenannten Kernhaushalt die Investitionen in die Bahnschienen um 13,7 Milliarden Euro im Vergleich zu 2024 abgesenkt, während gleichzeitig etwa 18,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in die Eisenbahn fließen sollen. Ein ähnliches Rechenbeispiel findet das IW bei der Sanierung der Autobahnbrücken.
So entsteht der Eindruck, dass sich die Koalition aus CDU und SPD einen finanziellen Spielraum für andere Ausgaben verschafft, sagt IW-Direktor Hüther. Und weiter: „Dass die Koalition sich trotz Spardruck teure Konsumausgaben wie die Mütterrente, die dauerhaften Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer und ein Weiter-so bei der Rente gönnt, verstärkt den Eindruck der Zweckentfremdung.“
Bundesrechnungshof: Regelung für Bundesländer „substanzlos“
Diese Kritik bezieht sich auch auf das Budget für die Bundesländer. Die sollen 100 Milliarden aus dem Sondervermögen erhalten, Bayern wird davon voraussichtlich 15,7 Milliarden Euro abbekommen. Doch das Gesetz, das die Verteilung der 100 Milliarden an die Länder regelt, sieht nicht vor, dass die Investitionen „zusätzlich“ getätigt werden müssen. Das kritisierte der Bundesrechnungshof deutlich: Ohne angemessene Kontrollmechanismen und Mindestvorgaben sei das Gesetz für die Investitionsmilliarden „substanzlos“, schreibt er in einem Bericht.