Die Auseinandersetzung um den sogenannten Deal zwischen den USA und der Europäischen Union erinnert an die Hase-Ente-Illusion: Je nachdem, wie man das Bild hält, sehen manche darin gespitzte Ohren und Stubsnase oder Federkopf und Schnabel. Als US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Schottland die Eckpunkte ihrer Übereinkunft zur Beendigung des Zollstreits vorstellten, hieß es, die Europäische Union würde 600 Milliarden Dollar zusätzlicher Investitionen in den Vereinigten Staaten zusichern.
Nun aber folgt die unterschiedliche Lesart: Die EU-Kommission versteht die Zusage so, dass die Investitionen Sache von Privatunternehmen sind. Die Behörde könne nicht garantieren, dass die Unternehmen ihre Absichten auch in die Tat umsetzen werden.
Trump spricht von 600 Milliarden Dollar Geschenk
Trump wiederum fasst den Sachverhalt vollkommen anders auf. Im Fernsehsender CNBC behauptete er, die EU habe ihm die Summe „gegeben“: „Die Details sind: 600 Milliarden Dollar, die ich in alles investieren kann, was ich will, alles. Ich kann damit machen, was ich will.“ Trump sprach wörtlich von einem „Geschenk“.
Falls die Europäische Union ihre Abmachung nicht einhalten sollte, drohte er mit 35 Prozent Zöllen. Wobei unklar ist, wann ein Vertragsbruch vorliegen würde, da die Investitionen auf mehrere Jahre ausgelegt sind. Allerdings dürften die Amerikaner dieses Mal genauer beobachten, wie die EU mit getroffenen Abmachungen verfährt. „So wie beim Sojabohnen-Deal zwischen Juncker und Trump wird das nicht laufen“, meint Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. 2018 einigten sich von der Leyens Vorgänger und der US-Präsident darauf, dass die EU mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den USA kaufen würde. Aus den reinen Absichtserklärungen folgte allerdings nicht viel.
„Die Zahlen sind mehr als wild“
Bei den Energieimporten gestaltet sich das Bild ähnlich wie bei den Investitionen. Demnach soll die EU innerhalb von Trumps Amtszeit – diese endet im Januar 2029 – für 750 Milliarden Dollar Energie aus den Vereinigten Staaten kaufen. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr importierte die Europäische Union Energie für rund 375 Milliarden Euro, für 76 Milliarden Euro aus den Vereinigten Staaten. Die Energieexpertin Laura Page von der Preisvergleichsplattform Kpler sagte Politico, ein solcher Anstieg in den kommenden Jahren sei „komplett unrealistisch“: „Die Zahlen sind mehr als wild.“
Hauptbestandteil der Einigung, die laut Verständnis der EU-Kommission am Freitag um 6 Uhr morgens in Kraft treten soll, sind die Zölle. Die EU stimmte zu, dass künftig auf Exporte in die USA Abgaben in der Höhe von 15 Prozent des Warenwerts erhoben werden. Ausnahmen gelten bisher bei Flugzeugen und Flugzeugteilen, bestimmten Chemikalien und diversen landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Für diese strategischen Produkte werden keine Zölle erhoben, sicherte von der Leyen zu. Bei Stahl und Aluminium hingegen bleibt der Zollsatz von 50 Prozent bestehen. US-Firmen können hingegen künftig weitgehend zollfrei ihre Produkte nach Europa liefern.
Die Verhandlungen sind lange nicht abgeschlossen
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Dienstag, dass eine gemeinsame Erklärung der EU und der USA zu „90 bis 95 Prozent“ fertig sei. Diese werde bei vielen offenen Fragen für Klarheit sorgen. Allerdings sind die Verhandlungen dann noch lange nicht abgeschlossen. Noch hofft die EU, die Zollsätze für einige Produkte auf unter 15 Prozent drücken zu können. Etwa für Autos, Wein, Spirituosen, Pharmaprodukte und Halbleiter.
Hier werden einige Mitgliedsstaaten versuchen, sich für ihre heimischen Industrien und Erzeuger starkzumachen, denkt Daniel Caspary aus der EVP-Fraktion im Europaparlament: „Ich bin fest überzeugt, dass der Kommission alles guttut, außer öffentlichen Ratschlägen, bei welchen Gütern wir besondere Prioritäten haben.“
Für alle Produkte – mit Ausnahme von Stahl und Aluminium – gelte jedoch, dass die Zölle auf keinen Fall die 15-Prozent-Decke übersteigen werden. Dies sei das „All-Inclusive-Paket“, auf das sich die EU mit Trump einigen konnte. Dies sei, so ein Sprecher der Kommission, „nicht die beste Lösung, aber die am wenigsten schlimmste“.