Trennung, der Tod eines geliebten Menschen oder Mobbing – all das sind emotionale Ausnahmesituationen, die so belastend sein können, dass manche Menschen einen Quasi-Herzinfarkt erleiden. Das Broken-Heart-Syndrom oder Takotsubo-Syndrom (TTS) ist erst seit den 1990er-Jahren als eigenständige Herzkrankheit bekannt. Japanische Forscher stellten damals fest, dass sich bei einigen Patienten die linke Herzkammer ballonartig aufbläht, während der Herzmuskel teilweise gelähmt ist. Die Form erinnerte an eine japanische Tontopf-Falle zum Fang von Kraken, die „Takotsubo“ genannt wird – daher der Name.
Broken-Heart-Syndrom – Symptome eines Herzinfarkts
Die Betroffenen, meist Frauen nach den Wechseljahren, zeigen Symptome, die einem Herzinfarkt stark ähneln: plötzliche Brustschmerzen, Atemnot und Todesangst. Im Ultraschall zeigt sich eine stark eingeschränkte Pumpfunktion der linken Herzkammer, ohne Anzeichen verstopfter Gefäße. Es handelt sich also nicht um einen klassischen Infarkt. Die akute Schwäche kann zu Herzversagen oder in schweren Fällen zu einem kardiogenen Schock führen, bei dem das Herz zu wenig Blut durch den Körper pumpt. Neuere Registerdaten zeigen, dass 1 bis 2 Prozent aller Patienten mit Herzinfarktverdacht tatsächlich am Takotsubo-Syndrom leiden. Zwar sind überwiegend Frauen betroffen, doch auch Männer – vor allem bei körperlichem Stress – sind gefährdet.
Auslöser des Takotsubo-Syndroms
Typische emotionale Auslöser sind Trennung, Trauer, Unfall oder Schock. Bei körperlichen Ursachen kommen Operationen, Asthmaanfälle, schwere Infektionen oder Krebsbehandlungen vor. In rund einem Drittel der Fälle lässt sich kein klarer Auslöser finden. Forschungen der letzten Jahre zeigen, dass neben Stresshormonen auch neuronale Prozesse beteiligt sind: Die Amygdala und der Hippocampus – beides Hirnregionen, die Emotionen steuern – beeinflussen über Nervenverbindungen die Herzfunktion. Diese „Hirn-Herz-Achse“ wird inzwischen als zentrales Element des Syndroms angesehen.
Neurologische und psychische Faktoren eines Broken-Heart-Syndroms
Anfangs nahm man an, das Broken-Heart-Syndrom beschränke sich auf das Herz. Heute gilt als gesichert, dass neurologische und psychiatrische Erkrankungen eine Rolle spielen. Studien, etwa am Universitätsspital Zürich (externer Link), zeigen funktionelle Veränderungen im Gehirn von Takotsubo-Patienten. Insbesondere Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder neurologischen Leiden haben ein erhöhtes Risiko. Laut Professor Christian Templin, einem der führenden Forscher auf diesem Gebiet, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kardiologie, Neurologie und Psychiatrie entscheidend, um die Mechanismen der Erkrankung besser zu verstehen.
Wie geht es weiter nach der Diagnose Takotsubo-Syndrom?
Manche Patientinnen erholen sich innerhalb einer Woche, bei anderen dauert es deutlich länger. Wichtig ist, dass Ärzte die Erkrankung rechtzeitig erkennen und differenzieren. Die Therapie ist individuell, da es keine einheitliche Standardbehandlung gibt. Empfohlen wird eine unterstützende Therapie nach dem Prinzip der akuten Herzschwäche – mit Betablockern, ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern. In der Akutphase ist eine engmaschige Überwachung nötig, da Komplikationen wie Rhythmusstörungen oder Schocksyndrome auftreten können.
Etwa 5 bis 10 Prozent der Patienten entwickeln schwere Komplikationen, und die Krankenhaussterblichkeit liegt heute bei rund 5 Prozent – ähnlich wie bei einem klassischen Herzinfarkt. Auch langfristig haben Patienten ein erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz.
Forschung und Risikofaktoren
Am Universitätsspital Zürich wurde das InterTAK-Register aufgebaut, das seit 2011 Daten von Takotsubo-Patienten weltweit sammelt. Inzwischen beteiligen sich über 45 Fachzentren aus mehr als 20 Ländern daran. Mit diesen Daten konnten Risikofaktoren für schwere Verläufe genauer bestimmt werden. Dazu zählen männliches Geschlecht, körperlicher statt emotionaler Stressauslöser, niedriger Blutdruck bei Aufnahme sowie erhöhte Werte von Troponin und NT-proBNP. Patienten mit diesen Risikomerkmalen sollten intensiv überwacht und langfristig kontrolliert werden.
Die Erforschung des Broken-Heart-Syndroms schreitet stetig voran. Neue Erkenntnisse betonen, dass es sich nicht nur um eine Herzkrankheit handelt, sondern um eine komplexe Störung der Kommunikation zwischen Gehirn, Nerven und Herz. Das Bewusstsein für die Krankheit wächst, was zu einer besseren Diagnose, gezielterem Monitoring und individuell angepassten Therapien führt. Dennoch bleibt vieles ungeklärt – insbesondere, warum manche Menschen so empfindlich auf Stress reagieren. Hier liegt der Fokus der aktuellen Forschung: das Zusammenspiel von Emotion, Gehirn und Herz besser zu verstehen, um das „gebrochene Herz“ künftig wirksamer zu schützen.

