„Morgen kommt der Weihnachtsmann …“ – Der Liedtext von Hoffmann von Fallersleben aus dem Jahr 1836 war einer der ersten, in denen das deutsche Wort Weihnachtsmann überhaupt auftauchte. Ursprünglich, also das gesamte Mittelalter hindurch, gab es als Schenkperson nämlich nur den Nikolaus – und der kam am 6. Dezember.
„Das ganze System wird aufgebrochen mit der Reformation“, sagt der Volkskundler Gunther Hirschfelder von der Uni Regensburg: „Nikolaus ist halt eine Heiligenfigur. Und Luther versucht, die Heiligen abzuschaffen, zu reduzieren an einen Gottesglauben und auf den Glauben an Gottes Sohn Jesus Christus.“
Reformation will Nikolaus mit Christkind verdrängen
Die großflächige Heiligenverehrung mit ihren volksfrommen Varianten sei der Reformation ein Dorn im Auge gewesen, sagt Hirschfelder. Und somit komme das Christkind – Jesus Christus – ins Spiel. Wenn Gott den Menschen seinen Sohn schenkt, den Erlöser, dann können sich die Menschen aus Freude darüber beschenken – so Luthers Gedanke.
Mit dem Christkind verlagerte sich der Schenktermin somit auf das Weihnachtsfest, also auf Heiligabend oder den 25. Dezember. Trotzdem starb der Nikolaus nicht aus, aber er wandelte sich, unter anderem zum Weihnachtsmann. Auch, weil der Konsumaspekt an Weihnachten im 20. Jahrhundert immer wichtiger wurde.
Als Werbefigur eigne sich hier prima der Nikolaus, weiß Kulturanthropologe Hirschfelder, „den hat Coca-Cola reduziert auf diese wahrnehmbare Gestalt mit dem langen Bart und dem roten Mantel.
„Das ist eine klare Formensprache, die unmissverständlich ist und die auch keinem wehtut, ein freundlicher alter Mann.“ Volkskundler Gunther Hirschfelder
Wer die Geschenke bringt, wird weniger wichtig
Die religiöse Mystik des Weihnachtsfestes habe zwar in den vergangenen 100 Jahren abgenommen, so der Volkskundler, aber durch die Schenk-Figuren bleibe das Weihnachtsfest geheimnisvoll. Welche Figuren das genau sind, sei aber zunehmend weniger wichtig, wie eine Umfrage auf einem Münchner Weihnachtsmarkt zeigt.
„Bei uns ist es so, dass der Nikolaus den Wunschzettel abgeholt hat“, erzählt eine Mutter. „Der arbeitet mit dem Weihnachtsmann und dem Christkind zusammen und hat den Wunschzettel zu den beiden nach Lappland gebracht.“ Ihre Kinder seien in einem englischsprachigen Kindergarten, erzählt eine andere Mutter. „Das heißt, da kommt der Santa. Dann gibt’s das Christkind, und der Papa ist Italiener: Da kommt noch die Befana am 6. Januar. Es ist ein Mischmasch!“
Die Befana ist eine Hexe, die traditionell den Kindern in Italien Süßigkeiten und kleine Geschenke bringt. Allerdings erst am 6. Januar. Eine Hexe besucht übrigens auch die Kinder in Island. Sie heißt Grýla und wird von 13 Trollen begleitet, die ihr am Heiligen Abend oder an Weihnachten beim Geschenkeverteilen helfen.
Fantasy-Figuren werden mit historischen Figuren vermischt
In der europäischen Kultur würden „Fantasy-Modelle und Fantasy-Figuren zusammen mit historischen Figuren und dem, was wir medial sehen, was wir vielleicht auch im Computerspiel sehen“, vermischt, sagt Volkskundler Hirschfelder. So sei es kein Wunder, dass eine Figur wie Befana in Italien jetzt wieder eine bestimmte Konjunktur erfahre.
Mit dem zunehmenden Konsum seit Ende der1960er-Jahre habe sich auch die Bedeutung des Schenkens grundlegend verändert, sagt Hirschfelder. Früher sei das eine Analogie gewesen zu dem Geschenk, das Gott den Menschen durch die Geburt seines Sohnes macht – heute sei es eine eher weltliche Angelegenheit. Trotzdem ist er davon überzeugt: Für die Menschen bleibt Weihnachten als Geschenke-Fest wichtig.
Volkskundler: Weihnachten als Fest der Geschenke bleibt zeitgemäß
Geschenke dienten auch dazu, „soziale Systeme auszuhandeln“, so der Kulturanthropologe. „Wem wir etwas schenken, der ist uns wertvoll, das ist ein starkes Symbol, und egal, wie modern die Welt wird, wie digital die Welt wird, wir haben eben ein Bedürfnis nach einem menschlichen Miteinander, nach Zuneigung. Die drücken wir aus, indem wir Geschenke geben.“ Insofern sei Weihnachten total zeitgemäß und werde es auch bleiben.
Wie genau Weihnachten in einigen Jahren oder Jahrzehnten aussieht, und welche Figuren uns dann die Geschenke bringen, darauf ist selbst der Volkskundler Hirschfelder gespannt. Kultur sei eben immer im Wandel.