Robert Kopp, Klimawissenschaftler an der Rutgers University in New Brunswick im US-Bundesstaat New Jersey, war einer der Leitautoren des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats. Gemeinsam mit mehr als 80 Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt hat er den Bericht der US-Regierung systematisch geprüft. Laut ihm handelt es sich bei dem Bericht nicht um eine wissenschaftliche Begutachtung, erzählt er im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: „Manchmal tut der Bericht so. Aber tatsächlich bedient er sich rhetorischer Techniken und wählt Daten und Belege gezielt aus, um ein Argument zu untermauern.“ Letztlich gehe es darum, die Regulierung von CO2-Emissionen in den USA abzuschaffen. Kopp erklärt die Tricks des Berichts anhand von drei Beispielen:
Rosinenpicken: Die „Dust Bowl“-Periode in den USA
Weltweit nehmen Tage mit extremer Hitze im Durchschnitt zu. 2024 war weltweit gesehen das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen im Jahr 1850. Die globale Durchschnittstemperatur lag 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau.
Der Bericht der Trump-Regierung schürt Zweifel daran, indem er den Fokus auf eine außergewöhnliche Periode der US-Geschichte legt: die sogenannte „Dust Bowl“-Periode in den 1930er-Jahren. Teile der USA waren in dieser Zeit ungewöhnlich heiß, sodass es Orte in den Vereinigten Staaten gibt, an denen bis heute die Temperaturrekorde aus dieser Zeit nicht gebrochen wurden.
Klimawissenschaftler Kopp sagt: „Wenn man sich die nördliche Hemisphäre als Ganzes anschaut, sieht man einen relativ stetigen Anstieg der extremen Hitze.“ Wenn man auf diese kleine Region zoomt, sei er jedoch nicht da – wegen der Ausreißer in den 1930er-Jahren. Ein klassisches Beispiel für das sogenannte Rosinenpicken, so Kopp: „Man wählt Daten aus, die eine Position zu bestätigen scheinen, und ignoriert Daten, die der Position widersprechen.“
Falscher Gegensatz: An manchen Orten steigt der Meeresspiegel und das Land sinkt
Der Meeresspiegel steigt – zwischen 1990 und 2020 weltweit im Schnitt um 1,51 Millimeter pro Jahr. Gleichzeitig sinkt an manchen Küstenorten in den USA das Land ab. Der Bericht der US-Regierung konstruiert daraus einen Gegensatz: Nur weil an manchen Orten Landmasse absinkt, steige dort der Meeresspiegel in den Daten, so die falsche Darstellung.
Dass Landmasse absinken kann, ist Wissenschaftlern aber längst bekannt und wird in Messungen zur Höhe des Meeresspiegels berücksichtigt. Trotzdem ist der weltweite Anstieg des Meeresspiegels erwiesen. Klimawissenschaftler Kopp sagt: „Es ist nicht Bodenabsenkung, die am Ende des Jahrhunderts aus einer Risikomanagement-Perspektive wichtig sein wird. Es ist der klimabedingte Meeresspiegelanstieg.“
Verzerrung durch Vereinfachung: CO2 als angeblicher „Dünger“
CO2 fördert die Photosynthese. Doch das bedeutet nicht, dass der CO2-Ausstoß der Menschheit das Pflanzenwachstum insgesamt fördert. Genau das behaupten aber die Autoren des Klimaberichts der US-Regierung. Damit vereinfachten und verzerrten sie wissenschaftliche Erkenntnisse, so Kopp. Zwar ist es richtig, dass der erhöhte CO2-Ausstoß in der Atmosphäre in manchen Weltregionen das Pflanzenwachstum fördern kann. So zum Beispiel das Wachstum von Weizen in Nordeuropa oder von Reis in Ostasien.
Doch auch andere Faktoren, wie der Nährstoffgehalt im Boden, Wasser und Temperaturen, bedingen, wie gut eine Pflanze wachsen kann. Und: Der menschengemachte Klimawandel wirkt sich andernorts negativ auf einige dieser Faktoren aus. „Das CO2, das in die Atmosphäre geht, führt zu mehr Hitze, zu mehr Verdunstung und kann daher auch zu mehr Starkregenfällen führen“, sagt Robert Kopp. Global führe der CO2-Ausstoß der Menschen nicht zu einem verstärkten Pflanzenwachstum.
Regierungsbericht als Grundlage für weniger Klimaschutz
Robert Kopp vermutet, dass der Bericht der US-Regierung einen spezifischen Zweck erfüllt: Er soll Argumente liefern, die rechtliche Grundlage für die Regulierung von CO2-Emissionen in den USA abzuschaffen, so Kopp. Im sogenannten „Endangerment Finding“ stellte die Umweltbehörde der USA (EPA) 2009 unter Präsident Barack Obama fest, dass Treibhausgase die öffentliche Gesundheit und das Allgemeinwohl gefährden. Unter Trump stellt die EPA das Endangerment Finding nun wieder in Frage. In ihrem Vorschlag bezieht sich die EPA direkt auf den oben erwähnten US-Regierungsbericht.
Schon im April dieses Jahres hat die Trump-Regierung Hunderte Wissenschaftler entlassen, die das sechste „National Climate Assessment“ schreiben sollten, wie die New York Times berichtet. Bis dahin veröffentlichte die US-Regierung seit 2000 regelmäßig diesen nationalen Klimabericht über die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels auf die USA. Unter den im April entlassenen Wissenschaftlern war auch Robert Kopp, wie er erzählt.
US-Klimaskeptiker mit Verbindungen nach Europa
Schon seit Jahrzehnten existiert in den Vereinigten Staaten ein ganzes Ökosystem an Think-Tanks und Stiftungen, die gezielt Zweifel an klimawissenschaftlichen Erkenntnissen streuen. Sie fördern Wissenschaftler, die dem wissenschaftlichen Mainstream widersprechen. Alle Autoren des Regierungsberichts der US-Regierung – Roy Spencer, John Christy, Judith Curry, Ross McKitrick und Steven Koonin – haben Verbindungen zu solchen Think-Tanks. Sie tragen Namen wie Competitive Enterprises Institute, Fraser Institute oder Global Warming Policy Foundation.
Als besonders einflussreich gilt das Heartland Institute, das in der Vergangenheit teils von der Öl-Industrie finanziert wurde. Auch das hat Verbindungen zu den Berichtsautoren: Roy Spencer ist politischer Berater am Heartland Institut, Judith Curry und RossMcKitrick waren auf der „Heartland Climate Conference“ als Speaker geladen, John Christy wird vom Heartland Institut zitiert.
Eine Undercover-Recherche von Correctiv und dem ZDF-Investigativmagazin Frontal belegt auch Verbindungen des Heartland-Instituts zu der rechtsextremen Influencerin Naomi Seibt aus Deutschland, die Hunderttausende Follower hat, und dem Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE) – zentralen Akteuren der Klimawandelleugnerszene in Deutschland. EIKE erwähnt den Klimabericht der US-Regierung auf seiner Website und bezeichnet die beiden Autoren John Christy und Roy Spencer als EIKE-Referenten. Roy Spencer und Judith Curry sind auf der Website des EIKE-Instituts außerdem als EIKE-Autoren aufgeführt.
Ausgewählt hat die Autoren US-Energieminister Chris Wright. Er war früher in Führungspositionen für verschiedene Energieunternehmen tätig, unter anderem als CEO eines großen Fracking-Unternehmens.
Desinformation mit Pseudowissenschaft: Ursprünge in der US-Tabakindustrie
Toralf Staud, Klimajournalist und Mitgründer von klimafakten.de, ist das Netzwerk der Klimafaktenleugner schon lange bekannt: „Es sind immer die gleichen Namen, die auftauchen“, sagt er im #Faktenfuchs-Interview. Auch die Autoren des Klimaberichts der US-Regierung seien vorher schon teils über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte durch klimawandelleugnende Publikationen aufgefallen.
Ziel sei es stets, Zweifel am Stand der Forschung zu säen, um Gesetze zu verhindern, die den eigenen Interessen zuwiderlaufen. „Die Strategie geht auf die US-Tabakindustrie zurück“, erklärt Staud. Auch das Heartland Institut fing so an, finanziert vom Tabakkonzern Philip Morris.
Die US-Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes von der Harvard Universität beschrieb in ihrem 2010 erschienenen Buch „Merchants of Doubt“, wie die US-amerikanische Tabakindustrie bereits in den 50er-Jahren begann, gezielt Zweifel an den wissenschaftlich belegten gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens zu säen. In den Jahrzehnten darauf entstand ein Netzwerk aus Think-Tanks und Pseudoexperten, das mit pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen auch Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu anderen Themen wie dem Ozonloch oder saurem Regen streute. Ende der Achtziger Jahre begannen teilweise die gleichen Akteure damit, Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Erderwärmung zu streuen. Das war ungefähr zur selben Zeit, in der sich der Weltklimarat IPCC etablierte
Toralf Staud sagt: „Nicht alle Leute, die Pseudowissenschaft verbreiten, sind vom Ölkonzern bezahlt.“ Häufig stellen sie ihre wissenschaftliche Arbeit in den Dienst ihrer Ideologie, so Staud. Zumeist sei das eine Grundeinstellung, die jeden Einfluss des Staates auf freies Unternehmertum ablehne.
Trump-Regierung verbreitet auch medizinische Pseudowissenschaft
Nicht nur zum Klima veröffentlichte die US-Regierung einen pseudowissenschaftlichen Bericht. Bereits im Mai 2025 veröffentlichte sie das „Make Our Children Healthy Again Assessment“, das den sich angeblich verschlechternden Gesundheitszustand amerikanischer Kinder thematisiert. Doch auch diese Veröffentlichung hält wissenschaftliche Qualitätsmaßstäbe nicht ein.
Unter anderem enthielt sie Quellen, die nicht existieren und KI-generierte Verweise auf nicht vorhandene Publikationen. Georges Benjamin, der geschäftsführende Direktor der American Public Health Association, sagte gegenüber der Washington Post: „Das ist kein evidenzbasierter Bericht, und für alle praktischen Zwecke sollte er an diesem Punkt einfach weggeworfen werden.“
Nachdem die Mängel des Berichts öffentlich wurden, veröffentlichte die US-Regierung eine korrigierte Version, in der sie die fehlerhaften Belege durch andere Quellen ersetzte – ohne zu erklären, wie diese Fehler in der ursprünglichen Version zustande kamen.

