Melatonin-Präparate kommen oft harmlos daher, manchmal sogar als Gummibärchen. In niedriger Dosierung sind sie hierzulande rezeptfrei und versprechen, eine perfekte Einschlafhilfe zu sein. Doch es gibt immer wieder Zweifel daran, dass Melatonin-Präparate tatsächlich so harmlos sind.
Das bestätigen jetzt auch Daten (externer Link), die Anfang November 2025 auf der Jahrestagung der American Heart Association präsentiert wurden. Danach ist die langfristige Einnahme von Melatonin mit einem höheren Risiko verbunden, an einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) zu erkranken, deshalb im Krankenhaus behandelt werden zu müssen und früher zu sterben.
Melatonin: Ergebnisse der Analyse
Laut der Analyse der Daten von mehr als 130.000 Erwachsenen (Durchschnittsalter 55,7 Jahre) aus mehreren Ländern, die wegen Schlaflosigkeit mehr als ein Jahr lang Melatonin erhalten hatten, war
- ihr Risiko innerhalb von fünf Jahren an einer Herzinsuffizienz zu erkranken gegenüber Menschen, die kein Melatonin einnahmen, um 89 Prozent erhöht. Sie hatten zudem ein fast 3,5-mal höheres Risiko, deswegen in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden.
- das Risiko innerhalb von fünf Jahren zu versterben, bei denjenigen, die Melatonin über ein Jahr eingenommen hatten, bei knapp acht Prozent. Bei denjenigen, die kein Melatonin erhalten hatten, lag es bei etwas über vier Prozent.
„Melatoninpräparate sind möglicherweise nicht so harmlos, wie allgemein angenommen wird. Sollte sich unsere Studie bestätigen, könnte dies Auswirkungen darauf haben, wie Ärzte Patienten über Schlafmittel beraten“, sagte Dr. Ekenedilichukwu Nnadi, Hauptautor der Vorstudie und Oberarzt für Innere Medizin am SUNY Downstate/Kings County Primary Care in New York.
Melatonin: Einschränkungen der Analyse
In der Veröffentlichung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass es sich um eine vorläufige Studie handelt, die noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde. Darüber hinaus, dass sie keinen kausalen, also ursächlichen Zusammenhang zwischen Melatonin-Einnahme und Herzinsuffizienz belegt, sondern lediglich einen statistischen.
Außerdem wurden in der Analyse die Daten der Menschen aus Ländern, in denen Melatonin nicht verschreibungspflichtig ist, derjenigen Gruppe zugeordnet, die laut Studie kein Melatonin einnahm. Möglicherweise spiegelt das die Analyse der Daten nicht korrekt wider, heißt es in der Mitteilung (externer Link).
Melatonin – ja oder nein? Der Rat eines Mediziners
Die Analyse der Daten sei eine Datensammlung – zwar aufgrund der 130.000 Fälle „mit Gewicht“, aber es sei eben keine klinische Untersuchung. Das gibt Stefan Kääb, Kardiologe am LMU-Klinikum Campus Großhadern zu bedenken. „Ich würde jetzt nicht dazu übergehen, allen Patienten davon abzuraten, die Melatonin mal phasenweise nehmen. Ich würde aber auch nicht dazu übergehen, zu sagen, das kann man jetzt grundsätzlich empfehlen“, sagt der Herzspezialist.
Für die Einnahme von Melatonin bedarf es seiner Ansicht nach „der individuellen Abschätzung und der ärztlichen Überwachung“. Schließlich seien chronische Schlafstörungen ungesund, „für die Psyche wie auch für das Herz-Kreislauf-System“. Gerade wenn die Schlafstörungen auf einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus zurückzuführen seien, mache der Einsatz von Melatonin mit ärztlicher Begleitung für eine gewisse Zeit durchaus Sinn. „Und alles andere, was da vielleicht in der Zukunft an Erkenntnis kommt, muss man abwarten“, sagt Kääb im BR-Interview.
Was ist Melatonin?
Melatonin ist ein Hormon, das vom Körper im Gehirn in der Zirbeldrüse produziert wird und den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Der Melatoninspiegel steigt in der Dunkelheit und sinkt bei Tageslicht. Es wird daher umgangssprachlich auch als „Schlafhormon“ bezeichnet.
Was ist eine Herzinsuffizienz?
Bei einer Herzinsuffizienz ist die Pumpleistung des Herzens eingeschränkt. Das Herz ist dadurch nicht mehr in der Lage, den Körper und damit auch Organe wie Gehirn, Muskeln oder Nieren ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Bisher wurde vermutet, Melatonin sei gut für das Herz (externer Link), unter anderem, weil es den Blutdruck senkt und die Herzfrequenz reguliert.

