Das Willi-Graf-Gymnasium München bot in den Osterferien ein beängstigendes Bild: Etwa fünfzehn Polizeifahrzeuge standen rund ums Schulgelände am Scheidplatz – die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt. In diesem Fall war alles nur eine Übung: Die Münchner Polizei übte Einsatztaktik und Vorgehen bei sogenannten lebensbedrohlichen Einsatzlagen – wie der Amoklauf an einer Schule im österreichischen Graz am Dienstag einer war. Ein ehemaliger Schüler hatte neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrerin erschossen, zuletzt sich selbst.
Polizei in Graz hatte Extremsituationen trainiert
Solch eine Vorbereitung kann entscheidend sein: Beim Amoklauf in Graz handelte die Polizei laut einem Kommandanten genau so, wie es seit Jahren trainiert worden sei. Die ersten Polizisten seien bereits acht Minuten nach dem ersten Funkspruch über eine mögliche Amok-Lage in das Schulgebäude eingedrungen. Es sei wichtig, dass die Beamten regelmäßig solche Extremsituationen trainieren, sagt Christian Lindstedt, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West: „Nur was geübt wurde und in einen Automatismus übergeht, kann auch in dieser Stresssituation noch abgerufen werden.“
Sicherheitskonzepte für Schulen
Doch nicht nur die Einsatzkräfte, auch die Schulen bereiten sich auf Extremfälle wie einen Amoklauf vor. In Bayern existieren für die rund 4.600 staatlichen Schulen detaillierte Vorschriften und Sicherheitskonzepte für das Verhalten in Gefährdungslagen. Nach Informationen des Kultusministeriums müssen sie von allen Schulen selbst laufend aktualisiert und eingeübt werden. Von der Schulaufsicht werden diese Sicherheitskonzepte regelmäßig überprüft.
Beispiel München: Checkliste und Codewort
Auch an der Mittelschule in München-Moosach gibt es einen solchen Notfallplan. „Da muss die Polizei verständigt werden, Schulaufsicht, Eltern, Beirat, Kollegium und die Schüler“, erklärt Markus Vetterl, Konrektor der Schule. Punktuell sei mittels Checkliste aufgeführt, was zu tun ist: „In jedem Zimmer in der Schule muss so ein sogenannter Notfallplan liegen, wo das auch genau aufgeschrieben ist. Welche Durchsage gemacht wird in so einem Fall, dass die Kolleginnen und Kollegen dann die Zimmer versperren und mit den Schülern im Klassenzimmer bleiben sollen“ – so lange, bis Entwarnung gegeben wird.
Wie auch an anderen Schulen gibt es an der Mittelschule in Moosach ein Codewort für den Fall eines Amokalarms, damit alle Lehrerinnen und Lehrer sofort Bescheid wissen und entsprechend reagieren. Seit 2013 sind staatliche Schulen in Bayern auch verpflichtet, Krisenteams unter Einbeziehung von Schulpsychologen zu bilden und in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei oder Feuerwehr, Sicherheitskonzepte zu entwickeln.
Notfallpläne müssen zu den Schulen passen
Auch die individuellen Gegebenheiten vor Ort müssen berücksichtigt werden. Die Münchner Mittelschule beispielsweise besuchen viele Schülerinnen und Schüler aus Migrationsfamilien. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), sagt: „Wenn wir Schülerinnen und Schüler haben, die Traumata haben aufgrund von Kriegsgeschehen in ihrem Land, aus dem sie geflüchtet sind; die mit Alarmsignalen einen Flashback kriegen, die sofort Angst haben, auch wenn nur irgendwo etwas scheppert – da müssen wir uns darauf einstellen.“
Notfallpläne dienen auch der Beruhigung
Diese Pläne sollen auch den Schülerinnen und Schülern Sicherheit geben, so Fleischmann: „Wenn so etwas Schreckliches in unserer Schule passiert – was ich nie hoffe – dann haben wir eins, zwei, drei zu tun. Dann haben wir das geübt, dann hast du mich, den Lehrer, dann haben wir hier ein sicheres Netz. Wir haben die Polizei, wir haben die Feuerwehr. Wir haben klare Pläne, was zu tun ist. Das Wichtigste ist, Orientierung zu geben und Ängste zu nehmen.“ Die Kommunikation dient laut BLLV-Präsidentin auch indirekt den Eltern, die von den Schulkindern informiert werden.
Zusatzstütze: Schulpsychologen
Bei Krisensituationen an einer bayerischen Schule kommt auch das „Kriseninterventions- und -bewältigungsteam bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen“ zum Einsatz. Das Team umfasst 140 speziell ausgebildete Schulpsychologen und ist bayernweit tätig. Neben einer umfassenden notfallpsychologischen Hilfe und Unterstützung der Schule in einer Krisensituation bietet das Team auch Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer an und hilft Schulen dabei, sich auf mögliche Krisen vorzubereiten.
Im Video: Große Trauer um die Opfer des Amoklaufs von Graz