Ein neues Alzheimer-Medikament ist seit Montag auf dem deutschen Markt. Der Wirkstoff Lecanemab setzt erstmals an den Ursachen der Krankheit an – den Eiweißablagerungen im Gehirn. Doch es ist keine Wunderwaffe. Ein Überblick.
Was ist das Neuartige an dem Alzheimer-Medikament?
Bislang konnten bei einer Alzheimer-Erkrankung lediglich Symptome und Begleiterscheinungen behandelt werden. Das Medikament, das seit 1. September neu auf dem deutschen Markt ist, setzt bei den Ursachen der Krankheit an – es bekämpft die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn, die Amyloid-Ablagerungen. Diese werden für die Entstehung von Alzheimer verantwortlich gemacht. Alzheimer ist eine Form von Demenz.
Der neue Wirkstoff Lecanemab ist ein Antikörper. Er bindet die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn und aktiviert das Immunsystem, diese Ablagerungen abzubauen. Vertrieben wird der Wirkstoff unter dem Handelsnamen Leqembi. Im April 2025 hatte es die EU-Zulassung erhalten. Verabreicht wird es als intravenöse Infusion alle zwei Wochen.
Österreich und Deutschland seien die ersten EU-Länder, in denen das Mittel verfügbar werde, teilten die Pharmaunternehmen Biogen aus den USA und Eisai aus Japan mit. In den USA wird das Medikament schon seit zwei Jahren eingesetzt.
Kann das neue Medikament heilen?
Auch das neue Medikament kann Alzheimer nicht heilen. Es soll den Verlauf der Krankheit verlangsamen. Ein Mittel zur Heilung oder Verbesserung ist weiterhin nicht in Sicht.
Dennoch spricht der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, von einem Schritt nach vorn. Das Medikament habe in den Studien, die 1,5 Jahre andauerten, das Fortschreiten der Erkrankung um ein halbes Jahr verlangsamt. „Die Betroffenen gewannen somit sechs Monate bei guter Lebensqualität vor Einsetzen der typischen Symptomatik.“
Wer kommt grundsätzlich infrage?
Eine weitere Einschränkung des Medikaments ist, dass es nur für einen Teil der Erkrankten infrage kommt. Zugelassen ist Lecanemab für die Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit. Aber die Therapie ist nicht für alle Menschen im frühen Alzheimer-Stadium geeignet.
Das Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung rechnet vor, dass von den 2023 bundesweit rund 460.000 Patientinnen und Patienten, bei denen eine leichte Demenz diagnostiziert wurde, rund 73.000 für eine Therapie infrage kämen.
Insgesamt leben in Deutschland derzeit rund 1,84 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung – davon rund eine Million mit der Alzheimer-Krankheit.
Wie wird festgestellt, für wen die Therapie geeignet ist?
Um die Menschen zu identifizieren, für die eine Lecanemab-Therapie sinnvoll ist, sei ein hoher Aufwand nötig, berichtet die „Ärzte-Zeitung“. Dazu zählen unter anderem die Untersuchungen von Nervenwasser und Gentests und Untersuchungen im MRT. Bei Patienten, die mehr als eine Kopie eines bestimmten Gens (ApoE4) tragen, ist Lecanemab wegen des erhöhten Risikos einer Hirnblutung nicht geeignet. Auch Patienten, die Blutverdünner einnehmen, seien ausgeschlossen.
Wer kann die Behandlung durchführen?
Durchgeführt werden kann die Behandlung etwa in klinischen Gedächtnisambulanzen oder neurologischen Praxen. Ob auch normale Hausärzte einsteigen können, wird der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen festlegen.
Die Behandlung ist aufwändig: Die Therapie beinhaltet eine jeweils einstündige Infusion – alle 14 Tage und bis zu 18 Monate lang. Mit MRT-Untersuchungen sollen mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Blutungen im Gehirn rechtzeitig erkannt werden. Patienten müssen bei einer Infusion mehrere Stunden unter ärztlicher Aufsicht bleiben, wie Klaus Fließbach, Neurowissenschaftler am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Bonn, betont.
Zugleich fordern die Arzneimittelbehörden eine enge medizinische und wissenschaftliche Kontrolle des Medikaments.
Wie hoch sind die Kosten?
Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, schätzt die Kosten für das Medikament pro Jahr pro Patient auf etwa 24.000 Euro. Die Kosten für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung könnten sich auf etwa 10.000 Euro belaufen.
Nach Angaben der Alzheimer Forschung Initiative werden die Kosten zunächst von den Kassen übernommen. Parallel dazu werde der Gemeinsame Bundesausschuss prüfen, welchen Nutzen das Mittel im Vergleich zu bisherigen Therapien erbringe. Das Ergebnis dieser Prüfung sei Grundlage für die Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Krankenkassen.
Mit Informationen von KNA und dpa